Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 9 (2)

∞  19 August 2007, 21:55

Erlebt am 15. Juli 2006, Entlang Mongol Els
(Karte: Moltsog Els) bis zum Khar Uus – See (Karte: Har nuur)


Von der Wüste ins Paradies




Ein paar Kilometer, bevor wir den Zavhan-Fluss überqueren, wird die Landschaft sehr karg. Der Übergang geschieht innert weniger Kilometer – und schon sind wir nur noch von Kies umgeben. Genau so, wie wir es von unserer ersten Reise aus der Gobi-Kieswüste kennen.



Zeitweise befinden wir uns in einem Kiesmeer: Nicht mal am Horizont ist eine Silhouette zu erkennen. Da sind nur gebogene Linien… Willkommen im Nichts.

So, wie uns diese Landschaft überfallen hat, gibt sie uns wieder frei: Blitzartig. Plötzlich erhebt sich vor uns der mächtige Ausläufer der Sanddüne Mongol Els.



Und an ihrem Fuss fliesst der Zavhan dahin, der ein grünes Band nährt, das so fett grün intensiv leuchtet, dass es uns fast den Atem verschlägt.



Und mittendrin, beim Überqueren einer Brücke: Ein Silberreiher.



Wir tauchen schon bald erneut in eine karge Vegetation ein.



Manchmal ist es uns, als würden wir auf und ab durch Baugruben pflügen. Dann wieder zieht es uns magisch entlang der Strasse in die nächsten Berge, den Pass mehr erwartend als fürchtend. Wir gewöhnen uns an das behutsame, möglichst gleichmässige Fahren und staunen, was so ein Fahrzeug alles mitmacht.



Dafür schaffen wir das Tagesziel, weil es selten Grund gibt, unterwegs zu halten und die Piste ein gutes Vorwärtskommen erlaubt.

Es ist ein stiller Tag, der mich stumm die öde Weite wüstenähnlicher Landschaft erfahren lässt.

Das Ziel des Tages – es ist ein Paradies und mehr als ein Lohn für den anstrengenden Tag! Der Ort – er ist… unglaublich. Wir haben unser Auto zwar auch hier in einer leeren Weite abgestellt,



doch wenige hundert Meter dahinter führt eine befahrene Strasse vorbei, was bedeutet, dass jede Stunde ein Auto die Silhouette durchquert.

Und die Leere hat hier Farben, es gibt eine lebhafte Vegetation. Und vor uns sehr viel mehr als das. Wasser.



Und daran und darin Seekannen. Gelbe, kräftig leuchtende Blumen mit einem wunderbaren Blütenkranz.



Der See heisst Khar Us, was schwarzes Wasser bedeutet, und wir wissen bald, warum (auf der Karte wird er einfach mit “Har nuur” bezeichnet).



Um ihn verläuft ein Sumpfgürtel, der von Wasserpflanzen durchsetzt ist. Insbesondere die Seekannen breiten sich in endlosen Teppichen aus.

Safrangelb liegt sinnbetörend natürliche Schönheit vor uns auf dem seichten sumpfigen Wasserspiegel. Hier wollen wir übernachten.

Uns hält nichts beim Auto. Wir wollen erst mal zur Vogelbeobachtung los.

Und immer wieder verzaubert uns der zweifarbige Berg. Er soll Alag Uul heissen. Seine rot-schwarze Flanke lässt die Sonne immer neue Bilder auf ihm malen.



Thinkabouts Wife und Thomas können im warmen Abendlicht Löffler beobachten, während ich mich bei einer Pferdeherde wie betäubt ins Gras lege. Dabei bin ich in irgend welchen Sphären, denn ich wähle komplett falsche Belichtungen beim Fotografieren. Was will ich auch Fotos schiessen, wenn mir die Welt sich eh unauslöschlich einprägt?

Thomas‘ Spektiv überwindet auch die Distanzen des Sumpfgürtels, und so können wir damit in aller Ruhe die Tiere beobachten. Graugänse, Kormorane, schwarze Seeschwalben. Natürlich können wir nicht alle Vögel bestimmen.
Was für eine Ente mag das sein? Noch nie gesehen! Weissflügelseeschwalben? Rauchschwalben? Uferschwalben?

Die Einheimischen sehen die Welt hier gelassener, und so kocht Ono derweil eine kräftige Suppe, die wir dann bis zum letzten Tropfen ausschlürfen. Manchmal ist Appetit der ehrlichste Dank für eine Köchin…

Danach äsen Pferdeherden vor unseren Zelten.



Und wir werden besucht. Eine Ziege sucht die Nähe von Ono und Thinkabouts Wife. Sie muss praktisch querschnittgelähmt sein, kann die Hinterläufe nicht bewegen. Wahrscheinlich ist sie auf der nahen Strasse angefahren worden. Sie wird die Nacht bei unseren Zelten verbringen. Die Nähe von Menschen verspricht Schutz vor Wölfen oder anderen Gefahren… Ono erkundigt sich dann doch bei Einheimischen. Von Ihnen erfahren wir, dass die Verletzung alt ist und das Tier erstaunlich gut damit zurecht komt, indem es die Hinterbeine wie Stelzen einsetzt…



Lass einen Mongolen erkennen, wie sehr Dir sein Land gefällt, und er wird nicht müde werden, es Dir noch schöner zeigen zu wollen. Der Motorradfahrer liebt “seinen” Berg über alles, und er will uns unbedingt am nächsten Tag hinauf führen. Was wir freundlich ablehnen.
Uns verlangt es nur nach dem Moment und einem stillen Sitzen.

Standort: 1166 müM, N 48°20.430‘ E 92° 41.439‘