Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Haiku-Notiz: Abheften

∞  13. Januar 2012, 21:36

Manchmal ist ein Tag
verknorzt, total daneben;
das kann es geben.

Heft’ ihn an die Wand:
Als Notiz, die du vergisst,
weil bald morgen ist.


Wenn ich mich finde

∞  1. Januar 2008, 23:37

Mag ich mich auch oft verirren,
Mich im Denken ganz verwirren,
Ganz allein auf meinem Pfad,
Drehend in des Lebens Rad.
Bis die Welt sich leiser dreht
Und der Wind im Rücken weht.
Hab die Schritte ich gefunden,
Ist mein Zorn erst überwunden,
Kann ich atmen, leben, lieben,
Die Bank ganz leis‘ verschieben,
Dir zum Verweilen zugedacht.
Mein Fühlen bei Dir gut bewacht
Sich räkeln kann im Stillen.
Befreit von Stolz und Wut
Wächst in mir neuer Mut:
Die Liebe wagen nur für Dich.
Nein, korrigierst Du mich:
Mir ist sie selbst doch eine Quelle
Wiegt mich warm auf leiser Welle.
Du bist mein Gast in dieser Zeit
Die ewig bleiben soll so weit.
Hab Dank für Dein Bleiben,
Will Dir alle Last vertreiben
Mit Dir staunen, träumen, sein,
Einsam manchmal, aber nie allein.
Bleib ich Deiner und doch frei,
Bleibt mir jede Sorge einerlei.


Schwermütige Liebe

∞  29. August 2007, 00:17

Sehnsucht.
Nie genug Liebe.
Immer zu viel Angst.
Nie ohne Sorge.
Stets mit zu wenig Kraft.

Nicht zu genügen –
ein quälendes Gefühl.
Die Geliebte traurig sehen –
unerträgliches Spiegelbild
eigenen Unvermögens?

Ja –
wenn diese Liebe
überhaupt zu verdienen wäre.

Sie wird aber geschenkt.
Und keine Bitte adelt uns mehr,
als unser Wunsch,
Liebe schenken zu können.
Mein Sehnen wird gehört
von dem, der die Liebe erfunden hat.
Und sie vorlebt, erfahrbar macht.

Warum nur haben wir Angst
vor diesem Lehrmeister?
Sich einlassen – auch bei ihm
Voraussetzung der Begegnung,
Anfang der Freude,
Begründung eines Gartens,
der Wachsen und Gedeihen,
Spriessen und Verblühen
in sich trägt als Plan,
von einem Sinn getragen,
in dem wir geborgen sind.

(c) Thinkabout, 12.5.05

So darf ich sein

∞  20. Juni 2007, 18:54

Ich bin ein gewachsener Baum,
meine Borke ist dick und krustig,
meine Wurzel tief verzweigt.

Gerade gestern hat eine Kinderhand
mit einer zarten scheuen Fingerkuppe
über das getrocknete Harz gestrichen,
das aus dem Riss meiner Rinde floss,
damals, als die grobe Wunde
mich noch still leidend tränen liess.

Wenn der Schmerz weicht,
macht es mir keine Angst mehr,
nicht im Boden versinken zu können.
Erstaunt stelle ich fest:
Ich will leben und berührt werden.
Von Kinderhänden, Wind und Wetter.

Ich fühle staunend, wie ich atme.
Ganz offensichtlich soll ich sein.


(c) Thinkabout, 20.06.2007

Nie ohne mich

∞  20. Juni 2007, 18:35


Wer sühnt, der zürnt,
wer versöhnt, der liebt.
Sein Ich, sein Selbst,
begegnet ihm in Allen.


(c) Thinkabout 20.06.07

Verletzte Seele?

∞  20. Juni 2007, 18:35

Eine Art Meditation

Geduldig wie Steinmetze
müssen wir arbeiten,
um uns freier zu machen.
Wir sollten nicht verzweifeln,
ob der Härte des Gesteins,
das uns stumm und traurig macht
und unseren Rücken biegt:

Dass wir beginnen wollen,
zu fragen und zu forschen,
dass wir leben und lieben können
oder auch nur wollen,
zeigt uns, dass in uns nichts ist,
das so tief traurig in uns harrte,
dass es nicht entweichen möchte.

Unsere Fähigkeit zur Liebe
für uns und aus uns selbst,
macht aus der Härte des Gesteins
die Höhle der Geborgenheit,
in der in kühlen leisen Winden
wunderbar erfrischt und neu beseelt
die Schöpfung sich in uns entfaltet.

In unserem Menschsein angelegt
ist Gottes Liebe einem Bergsee gleich,
ruhend in der dunklen Tiefe still,
so dass der Himmel sich gespiegelt sieht.

*

Wir können uns von uns abwenden oder uns uns zuwenden. Tun wir letzteres, dann gilt:

Wer sühnt, der zürnt,
wer versöhnt, der liebt.
Sein Ich, sein Selbst,
begegnet ihm in Allen.

Man hat mir weh getan.
ich habe viel gelitten,
ja, leide immer noch.
Erst wollte ich vergessen
und konnte es doch nicht.
Die Zeit schenkte mir
einen neuen Blick zurück:
Nicht länger im Müssen,
eine Weile noch im Wollen und Haften,
bis der Überdruss quälend wurde.
Ich begann, wählen können zu wollen.
Und drehte den Kopf.
Schaute mehr vorwärts.
Ich bekam neue Erwartungen,
liess sie mir schenken,
nicht länger diktieren.

Will einfach leben,
mit all meinen Gefühlen,
begrüsse die alten Fragen,
und lebe mit ihnen,
wie der gewachsene Baum
das Rauschen des Windes
mit seinen Blättern
raschelnd vertont.

Ich bin ein gewachsener Baum,
meine Borke ist dick, krustig,
meine Wurzel tief verzweigt,

Gerade gestern hat eine Kinderhand
mit einer zarten scheuen Fingerkuppe
über das trockene Harz gestrichen,
das aus dem Riss meiner Rinde floss,
damals, als die grobe Wunde
mich noch still leidend tränen liess.

Wenn der Schmerz weicht,
macht es mir keine Angst mehr,
nicht im Boden versinken zu können.
Erstaunt stelle ich fest:
Ich will leben und berührt werden.
Von Kinderhänden, Wind und Wetter.
Ich fühle staunend, wie ich atme.
Ganz offensichtlich soll ich sein.


© Thinkabout
Fragment vom 01.11.04
neu erarbeitet am 20.06.07





Bild: © Thinkabout: Mattmarksee


Vor einem stillen Tag

∞  8. Juni 2007, 07:45

Ich möchte
die Stille zur Freundin haben
und daher niemals reden,
nur um sie zu verscheuchen.

Die Luft, die ich atme,
soll von Musik getragen sein,
statt von Geschrei durchschnitten zu werden.

Ich möchte mehr reden
und weniger plaudern,
meine Seele atmen lassen,
indem ich bewusst schweige,
statt hilflos zu verstummen.

Ich möchte lieben, nicht besitzen,
ich möchte sein statt scheinen,
und nur darauf meine Energien verwenden.

Ich möchte wachsen,
mit meinen Wurzeln der Erde und
mit meinen Ästen dem Himmel näher kommen.

Ich freue mich auf mein Staunen
über die Geheimnisse an meinem Wegesrand.

Und ich danke für die hilfreichen Regungen,
die mich immer wieder zu mir hin schieben:
Neugier, Sehnsucht, Heimweh.
Nichts da,
das nicht in tiefer Ruhe
seine eigene Stille finden könnte.

Thinkabout, 24.12.04


Schlaflied für Dein Glück

∞  7. Juni 2007, 11:04




Offen sein
und doch beschützt.
Danke sagen ohne Zweifel,
Vertrauen in das Glück.

Beredt erst nur im Stillen,
doch gleich beginnt das Singen,
als Schlaflied für die Angst,
die bald für immer schweigt.




Mit Zeit und Herz

∞  4. April 2007, 08:48

Die Intensität der Langsamkeit,
die den Genuss des Augenblicks
noch intensiver macht:
Ich geniesse es so,
bei Dir auch bei mir zu sein,
und die Zeit zu vergessen.

Mit Dir erlebe ich alles
so tiefgründig langsam –
als wäre es gleichzeitig
das erste und letzte Mal.

Ich sehe Dich an,
mit dem Gefühl,
im Leben Platz zu finden.
Und schon ist das,
was ich spüre,
ein Heimkommen
zu mir selbst.

© Thinkabout, 05.11.04



Kaum Dasein

∞  15. März 2007, 08:32

Ach Jahre
zieht ihr vorbei
wart kaum bemerkt
und doch gelebt

Ach Zeit
bleibst niemals liegen
und gehst doch verloren
noch eh du gefunden

Ach Atem
bist du so leicht
Entweichst und kommst
bis du dann gehst

Thinkabout, 20.11.06

Strohwitwergedicht eines Verliebten

∞  6. März 2007, 17:12

Jetzt suche ich meine Träume von Dir,

ordne sie,

und schlafe mich dann durch sie hindurch.


(10. Nov. 2004)

Auf jeden Fall verdichtet

∞  7. Februar 2007, 00:21

Ich bin kein Lyriker. Kein Dichter.
Manchmal sagen mir sehr lieb zugewandte und bestimmt nicht objektive Menschen, ich sei ein Poet.
Ob es objektiv zu beklagen ist oder nicht:
Manchmal schreibe ich Gedichte. Sie mögen Glücksache sein, zuweilen. Wenigstens mache ich kaum je den Fehler, um jeden Preis reimen zu wollen…
Dabei finde ich sehr wohl, dass Reime einen Text tragen können wie eine bestimmte Melodie die Musik.

In jedem Fall aber vermag ein tolles Gedicht sehr Vieles:

Es kann mit wenigen Worten sehr viel sagen,
zwischen den Zeilen von Empfindungen reden,
Wehmut wie Glück mit Reimen vertiefen,
Wut und Zorn in die Nacht schreien
und im Echo die Sehnsucht nach Frieden einfangen.

Ein gutes Gedicht ist nicht ausschweifend.
Es hält sich zurück, weiss, dass es nachklingt,
und so in jedem Leser seine eigene Stimme findet.

Wenn ich mir das genauer überlege, dann fürchte ich, dass mir noch nie ein solches Gedicht gelungen ist…