Reflexionen

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Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Australien 2007 - Tag 35

∞  7 März 2009, 21:23

Erlebt am 27. November 2007 – Von Mandurah nach Perth, Central Caravan Park

Keine Delphine, zu wenig Endorphine…



Wir haben’s nicht mehr weit, und Schlaf ist für mich das wichtigste. Ihm traue ich auf jeden Fall mehr heilende Wirkung zu als dem komischen Saft, den ich da schlucken soll – obwohl… ich nehme ihn eigentlich recht brav und diszipliniert zu mir. Will einfach nicht besser werden, und mittlerweile habe ich auch eine gehörig heisse Birne, die sich relativ monströs anfühlt und ständig in einen Wattebausch gehüllt scheint, so dass ich auf diverse Reize irgendwie nur verzögert zu reagieren scheine. Der Hals fühlt sich auch irgendwie ziemlich geschwollen an…
Wir schälen uns also erst nach acht aus dem Schlafsack. Auch wenn Auto nicht Zelt ist, geht länger schlafen irgendwie nicht. Die Helligkeit und der ganze Lebenskreislauf ist einem so nahe, dass man einfach aus den Federn getrieben wird.
Erst kümmern wir uns nach dem Frühstück mal um den Abgabetermin für das Auto. Er ist ja nicht mehr weit. Die Frau vom Camp will nicht mal Geld fürs Telefongespräch. Ich muss wirklich bedauernswert aussehen…
Wir fahren nach Rockingham – denn auch Rockingham rühmt sich für schöne breite Strände und die Beobachtungs- und Begegnungschancen mit Delphinen. Aber wir kriegen, von Jetty zu Jetty pilgernd, auf denen man ein gutes Stück raus laufen kann, keine zu sehen. Rockingham selbst allerdings ist ein sehr nettes Städtchen, zumindest die Uferpromenade, denn viel mehr mag ich mir nicht ansehen. Weite flache Strände mit gepflegten Promenadenwegen, und es gibt nicht nur Cafés, sie werden auch besucht!




Gerne behalten wir auch von hier wieder die ganz speziellen Färbungen des Wassers in Erinnerung, und der engagierte Kampf zweier Pelikane um die Fischabfälle, die ihnen von einem Fischer beim Ausnehmen des Fangs zugeworfen werden.




Wie gesagt, es ist nicht Saison, und wir wählen in Perth ganz bewusst keinen Platz in Nähe des Zentrums, sondern steuern einen Campingplatz weit draussen beim Flughafen an, der sich dennoch “Central Caravan Park” nennt. Und an unserem letzten Anreiseort passiert es also doch noch: Der Caravan-Park ist voll! Kein einziger Platz mehr. Ich stehe da, als hätte man mir eben ins Genick geschlagen. Dabei gibt es, natürlich, noch andere Plätze. Nur, der Drachen am Desk mag nicht erst dahin telephonieren, damit man nicht vergebens in eine Richtung fährt. Nein, das geht nicht. Abgesehen davon habe ich einfach keine Lust mehr. Nun, es gibt an der Strasse, vor dem Schlagbaum, einen Lattenzaun, an dem drei Steckdosen prangen. Genau: Es sind die Ersatz- bzw. Zusatzstellplätze für so abgewrackte Naturen wie mich. Da können wir unsern braven Toyota Landcruiser hinstellen, wenn wir denn mögen. Für 30 Australische Dollar pro Nacht, Diskont gegenüber einem vollwertigen Platz auf dem Camp-Gelände genau 0.0%. Ich schnappe nur ganz wenig nach Luft. Es ist einfach genau die Pointe, die wir noch brauchten, um auch in der Bilanz zu konstatieren, dass sich in Australien gegenüber der Jahrhundertwende in der Mentalität viel verändert hat. Die Menschen haben ein Stück Gelassenheit verloren, schauen mehr für sich als wir dies auf früheren Reisen empfanden. Oder aber die Südküste und Perth sind diesbezüglich mit der weiter folgenden Westküste, die wir vor knapp zehn Jahren bereist haben, nicht zu vergleichen…
Wir richten uns also ein – und haben später dann die gleichen Nachbarn wie schon zweimal im Outback. Eine Schweizer Familie aus dem Aargau, die mit Wohnmobil unterwegs ist. Er zuckt nur mit den Achseln. Im Wohnmobil lässt es sich an der Strasse gleich leben wie mitten im Campingplatz, ist ja klar. Immerhin meint er ironisch, wäre es nett, dass wir alle die Gemeinschaftsanlagen auch benutzen dürften…
So gestärkt begeben wir uns nochmals zum Drachen und lassen uns dann gleich für morgen einen Platz zuweisen, denn für morgen sind wir dafür ja nun wirklich noch früh genug. Und wie gesagt: Ich will keinen Meter mehr weiter fahren, als zur Autoabgabe nötig.
Und da wäre es doch ganz elegant und passend, wenn wir das Angebot des Campingplatzes nutzen würden zu einer morgigen Stadtrundfahrt nach Perth. Sie wird im Internet vom Platz angeboten. Der Drachen meint, nein, ein solches Angebot gebe es nicht und hätte es nie gegeben.
Steht aber im Internet.
Das würde sie aber wissen.
Wir bitten Sie, nachzusehen. Wir würden es ihr gerne zeigen und sie an die richtigen Stellen klicken lassen.
Wir erscheinen ihr wohl unverschämt.
Da gibt es ja Faltprospekte von diesem tollen Campingplatz, und Thinkabout’s Wife braucht nicht lange in dem Werk zu blättern, und schon kann sie mit spitzem Finger auf das Angebot zeigen.
Bringt ja alles nichts, und wenn ein Drachen “spontan” das Nichtvorhandene vorhanden sein liesse, käme dabei kaum etwas heraus, dem ich mich gerne anschliessen würde. Also werden wir uns auf eigene Faust auf den Weg machen.
Jetzt aber interessiert mich nur noch eins: Das kleine Plätzchen Gras vor der Gemeinschaftsküche und dem Rastplatz. Dort lege ich mich auf einer Matte auf den Bauch und döse den Nachmittag vor mich hin.
Mit der Zeit lerne ich ein paar Menschen kennen, die offensichtlich hier zum Inventar gehören. Den Poolkeeper und Graskeeper in Personalunion, der mich freundlich angrinst, und mich damit immerhin zum Heben eines Zeigefingers bringt, die sonore Stimme eines dunkelhäutigen Arbeiters, der offensichtlich hier auf dem Platz wohnt und zwei Touristen, die bereits monatelang mit den Fahrrädern unterwegs sind.
Das Leben hier scheint ganz angenehm zu sein, wenn man mal von der Strasse weg ist. Ich mag zwar nicht daran teil nehmen, aber es ist trotzdem nett, von guten Empfindungen umgeben zu sein. Ansonsten schleppe ich mich für den Rest des Tages von Schmerztablette zu Schmerztablette und baue auf die Weisheit des Schweizers aus dem Aargau: Schlafen wird man wohl in einem Landcruiser an der Strasse genau so gut wie unter lauschigen Bäumen – und die Hitze wird sich dann auch aus dem Inneren verflüchtigt haben…

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Der Artikel wird in ein paar Tagen in die Sektion GEREIST verschoben.