Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Starke Schwächen und andere herausragende Eigenschaften

∞  23 Februar 2011, 13:51

Immer wieder kann ich nur den Hut ziehen vor Menschen, die mir schreiben. Man mag einwenden, es gehöre nicht viel dazu, einem wildfremden Menschen etwas über sich zu erzählen, da man ja “anonym bleiben könne” – oder es liesse sich dabei kaum auf den Wahrheitsgehalt schliessen. Meine Erfahrung ist eine andere.


Zumindest ist diesen Mails immer wieder eigen, dass ich als Leser das ehrliche Bemühen spüren kann, die Wahrnehmung der eigenen Person, ein Gefühl, den echten Gedanken wirklich zu reflektieren – und es zu teilen, im Vertrauen darauf, dass richtig damit umgegangen wird.

Deutlich über 3000 Artikel sind bisher für dieses Blog entstanden, längst nicht immer sind dabei politische und gesellschaftliche Belange dominierend. Oft geht es auch um ganz alltägliche und doch so essenzielle Lebensgefühle und Einstellungen. Ein dreifaches an Mails dürfte ich als Folge davon “hinter den Kulissen” geschrieben haben – und unzählige wertvolle Gedanken sind mir dadurch geschenkt worden.

Dabei gibt es ein Muster: Immer wieder ist von Schwächen der Menschen die Rede. Meine Antwort und mein Erleben ist eigentlich immer sehr ähnlich:
Ich empfinde diese Schwächen, werden sie mir anvertraut, bereits als Kern echter innerer Stärke.
Im Ernst: Wenn wir erzählen, wie wir das Leben begreifen und es dann auch meistern wollen, so gehört doch immer die Erfahrung des Scheiterns mit dazu. Wir wirken doch gerade dann überzeugend, wenn wir nicht Supermann sind, sondern der Mensch, der sich wieder auf den Weg macht.

Wer scheinbar nie einen vor den Bug geknallt bekommt, dem mag man kaum hinterher hecheln mögen. Man mag vielleicht seinem pekuniären Glück nacheifern und vermuten, dieses Glück könnte einem ja doch auch blühen – aber so leben wie er, seinen Hochmut annehmen? Nein, denn wir alle können uns vorstellen, was schon ein unvermuteter Stolperer aus dem Sturmlauf machen könnte, den er so leichthin vollführt…

Wer aber ein Tempo vorlebt, eine innere Grundhaltung, die sich der Wegstrecke anpassen kann, die mit Unzulänglichkeiten umgehen kann, wer dem Zaudern den nächsten festen Schritt folgen lässt, wer um seinen Wert weiss, weil er längst lernen musste, ohne Lob auszukommen – schlicht, wer mit sich lebt und liebt – DEM wollen wir doch zuhören, DER ist doch glaubwürdig und darin liegt die Kraft für den eigenen Weg – und der ist doch meist nur scheinbar so viel geschmeidiger und glatter. Vielleicht rase ich dahin, auf der Autobahn, aus dem Blickfeld schnell entschwunden – und an der nächsten Ausfahrt verfahre ich mich. Supermänner gibt es nicht. Männer mit Schmackes sprich Sinn für Schwaches schon. Und Frauen übrigens auch.

Ich danke Allen, die mir immer mal wieder schreiben und von sich erzählen. Ich sehe darin immer einen grossen Vertrauensbeweis – ob anonym oder nicht, es ist immer äusserst wertvoll für mich. Und schön. Und so wird mir gerade dieser Aspekt des Bloggens in keiner Weise überdrüssig.


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