Reflexionen

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Vietnam: Ankunft in Can Tho, Bekanntschaft mit der unsichtbaren Frau Hue

∞  1 Juli 2009, 06:50

Erlebt am 28. März 2009, abends


[Karte: Strecke von Chau Doc nach Can Tho und
Bilder: Album des Tages ]


Es reiht sich Dorf an Dorf, Haus an Haus. Unzählige Kanäle. Wir fahren auf guten Strassen. Ich habe mir die Gegend ländlicher vorgestellt, auch ärmer.
Mit M haben wir einen wahren Glückstreffer gelandet: Er weiss nicht nur viel über sein Land, er vermittelt es auch gut. Und was noch wichtiger ist: die Chemie stimmt, wir haben es richtig gut miteinander, erzählen auch private Dinge. Und erfahren dabei, dass er nur nebenberuflich Reiseleiter ist, im Hauptberuf arbeitet er in einer Exportfirma. Und ist in dieser Funktion jedes Jahr auf der Ambiente in Frankfurt. Wie Thinky. Es gibt Dinge, die man nicht versuchen sollte zu erklären.

Gegen 16:00 sind wir in Can Tho im Hotel. Im liebevoll angelegten Garten mache ich ein paar Makros. Eine Lotosknospe wird tatsächlich so, wie ich mir das vorstelle.




Im Zimmer verspeisen wir einige für uns bereitgestellte Früchte. Auch jetzt sehen wir auf den Mekong, aber durch Kokospalmen. Hier gibt es einen Gecko-Service: wenn man das Tierchen aus seinem Zimmer entfernt haben möchte, please deal no. 4. Ob man unter dieser Nummer wohl auch einen, oder besser gleich drei bestellen kann? Die armen Kerle würden aber wegen der AC sicher in die Kältestarre fallen.
Heute essen wir auf einer offenen Terrasse. Der leichte Wind und blasende Ventilatoren halten die meisten Mücken fern, und die braven Geckos kümmern sich um die restlichen. Das Menu ist auch hier eine Offenbarung, sie können zweifelsfrei auch europäisch kochen:


Warmes Auberginentürmchen mit Mozzarella: delikat
Kürbiscrèmesuppe mit Ingwer: Volltreffer, muss ich mir merken
Gemüsestrudel mit Safransauce und Reis: exquisit
Crêpe-Beutelchen mit Bananen auf Schokoladensauce: würdiger Abschluss


Als Verdauungsspaziergang gehen wir noch etwas die Uferpromenade auf und ab.


Zurück im Hotelzimmer, erkennen wir dieses nicht wieder. Da wurde inzwischen wortwörtlich aufgeräumt: Thinky vermisst seine Hosen und das Schlaf-T-Shirt; beides hängt jetzt im Kleiderschrank. Seine Sigg-Bottle steht nicht mehr auf dem Nachttisch (dort hat es jetzt hoteleigenes Wasser), sondern auf dem Sideboard, in einer Reihe mit seinem Antibrumm, dem Moleskine und den Schreibstiften. Dafür könnte man jetzt auf dem Salontisch wieder Tee trinken.
Das Hemd, das über dem Stuhl hing, findet er im 2. Schrank. Immerhin liegen seine Socken immer noch hinter dem Rucksack, was ihn ungemein erfreut.
Auf seinem Nachttisch befindet sich jetzt auch ein Laundrybag, wohl als Wink mit dem Zaunpfahl.
Merkwürdigerweise sind meine Sachen immer noch an genau dem Ort, wo ich sie gelassen habe.
Die Fürsorge wurde hier wohl etwas übertrieben. „Muss wohl ein Mami sein“, ist das Einzige, was Thinky dazu einfällt; da tut er mir fast schon ein wenig leid.
Ich habe noch nie in einem so aufgeräumten Hotelzimmer geschlafen.


Frau Hue schafft Ordnung


Auch diesmal ist, als wir nach dem Essen ins Zimmer zurück kommen, dieses für die Nacht nochmals hergerichtet worden. Auch diesmal fällt mir das nette Arrangement auf dem Kissen als erstes auf – dann aber staune ich nicht schlecht:
Meine Improvisation, das weisse T-Shirt mit dem auch nach der Handwäsche noch dreckigen Kragen zum Trocknen auf einen Bügel und diesen dann an die Vorhangstange zu hängen, hat das Zimmermädchen ganz offensichtlich begeistert: Mein zweites T-Shirt, das ich “ganz” gewaschen hatte, um es von den weissen Schweissflecken auf dem braunen Elefanten zu befreien, hängt nun nicht mehr im Bad, sondern auf einem zweiten Bügel an der Vorhangstange. Verspürte sie wohl ein Stück Subversion oder nahm sie dankbar eine Anregung zu etwas Subversion im Dienste des Kunden war, weil ihr vielleicht der dunkle schwere Vorhangstoff für ein Vierstern-Hotel auch etwas düster vorkam und sie auf diesem Weg einer möglichen Schimmelbildung ein wenig nachhelfen wollte?
Und wo ist dann meine Trinkflasche hingekommen? Und die Hose für morgen, die auf dem Bett lag, wie ich doch noch genau weiss? Und wo, zum Teufel, ist mein Rasierpinsel hin gekommen?
Alles findet sich irgendwo fein aufgehängt, akurat ausgerichtet hingestellt oder in den Schrank gehängt (z.B. mein Schlaf-Shirt), als wäre Mutter eben mal nach fünfundzwanzig Jahren wieder mal zum Aufräumen vorbei gekommen, so gut gemeint ist alles, aber durchwegs unpraktisch und für mich nicht logisch.
Immerhin, ich finde alles wieder. Die T-Shirts lasse ich an der Vorhangstange hängen, die Komposition finde ich klasse, auch wenn die Dinger auch so morgen nicht trocken sein werden. Frau Hue, wie ich die unbekannte Seele nenne, scheint das auch voraus zusehen und hat mir deswegen einen Laundry Bag aufs Bett gelegt, ganz unauffällig liegt es da unter dem Bestellformular für Breakfast per Roomservice. Immerhin hat sie es sich verkneifen können, das Formular für den Wäscheservice für mich schon vorab auszufüllen.
So behütet muss ich ja gut schlafen!