Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 25

∞  12 Oktober 2007, 21:53

Erlebt am 31. Juli 2006 – Von Bayantsagaan an den Rand des Manzushir National-Parks



Ganz ohne Hatz




Schon kurz nach dem Aufbruch stossen wir auf die Goldgräber, von denen die Frau gestern erzählt hat.



Es ist wohl die letzte pfadfinderische Herausforderung, die wir dann auf unserer Reise gestellt bekommen, und wir sind vorgewarnt: Wir wollen den so genannten “Mutterfelsen“ besuchen – eine Art Reliquie der Fruchtbarkeit: Dem Felsen wird eine wunderbare Wirkung nachgesagt, so man oder viel mehr frau ihn denn berührt.. Erst müssen wir ihn aber mal finden, und Onos Reiseführer-Buch ist nicht besonders hilfreich. Dieses Mal sind wir aber vorgewarnt und lokalisieren den Ort möglichst genau auf der Karte und fragen uns auch fleissig durch, wann immer wir Gelegenheit haben.

Am Ende ist es dann nicht so schwer, denn zum Mutterfelsen gehört auch das Mutterfelsen-Kloster „Deshpeljeelin“,





das allerdings nicht gerade beim Mutterfelsen steht, alles klar? Das Gelände des Klosters soll schlussendlich 108 Chörten als Begrenzung haben. Vor einem Jahr haben sie angefangen, irgendwie, und es ist erst zu ahnen, welche Faszination eines Tages davon ausgehen könnte.



Doch dann haben wir ihn tatsächlich gefunden, den Mutterfelsen.
Zuerst allerdings kommen Sieam Kiosk vorbei.









Damit es andere einfacher haben, hier die Koordinaten:
N 47° 18,741‘ E 106° 58,661‘ 1618 müM.

Kult um Gesteinsformen, in denen man eine konkrete Gestalt sehen kann, sind für uns immer befremdend. Aber wer mag die Menschen hier auslachen? Ich nicht. Sie trotzen einer Natur, die ihnen alles abverlangt, und sie wissen wahrscheinlich mit konkretem Leid viel besser umzugehen als wir. Sie mögen gute Geister eines Felsens um Fruchtbarkeit bitten – während wir unsere Familienplanung als gegeben möglich voraussetzen und im Problemfall Forderungen an die Ärzte stellen, sie möchten nun, doch bitteschön, einen Weg gegen die Natur finden.



Die braunen Grillen werden noch einiges grösser als die grünen…








Heute, auf der letzten wirklichen Reise-Etappe, gelingt es uns erstmals, einen Pfeifhasen



und ein Ziesel zu fotografieren –



und auch ausführlich zu beobachten.
Und dann hastet auch noch eine Art Ratte über unsere Fahrspur: Das Tier bewegte sich wie eine Maus, war aber grösser als eine Ratte, mit einem langen Schwanz. Ein Gilbris?

Wir sind frühzeitig am Bestimmungsort, die Etappen sind nun „lächerlich“ kurz geworden für uns Wüsten- und Steppenfahrer. In Zuunmod kaufen wir nochmals gründlich ein und fahren dann in den kleinen Manzushir-Nationalpark. Hier wollen wir morgen einen gemütlichen letzten Tag verbringen, noch mit dem Rücken zur rauchenden Grossstadt Ulaanbaatar.



Wir gucken uns einen sehr, sehr lauschigen Picknick-Platz im Fichtenwald aus, den wir auch gleich zum Camping-Platz machen wollen. Das Bild, das er abgibt, würde jetzt jeden neidisch machen. Allerdings verziehen wir uns danach doch wieder, denn die Mückenplage ist genau hier enorm. Um auch für die Zelte einen einigermassen ebenen Untergrund zu finden, müssen wir uns tiefer ins Wäldchen begeben. Leider begleiten uns die Mücken, was vor allem Ono echt zusetzen wird. Es ist auf jeden Fall wieder mal Zeit für den gezielten und konzentrierten Einsatz von Antibrumm, und das hilft dann auch allen wenigstens mehr oder weniger…

Während Ono und Thomas sich aufmachen, die Enge des Tals zu überwinden, um auf der Bergkuppe ein Geburtstags-SMS verschicken zu können, vertreibe ich mir die Zeit, geeignete Wurfgeschosse zu finden, um die riesige Krähe vertreiben zu können, die ausgerechnet über unserem Zelt aus einem praktisch astlosen Baum über uns herabschimpft oder vermutlich gar nach Verstärkung ruft.





Die Vorstellung ist mir ein Graus, so dass ich höchst erbaut bin, als ich schliesslich grössere Tierknochen finde, die sich hervorragend als Wurfgeschosse eignen. Womöglich hat das Vieh den Knochen selbst blank genagt. Jetzt aber sind ihm die fliegenden Geschosse bald nicht mehr so geheuer und die Krähe zieht bald ab.
Thomas macht, kaum sind die beiden wieder hier, nochmals den Verschwindibus und muss mal für grosse Jungs. Dass dies zwei Stunden dauern kann, erfahren wir erst, als er uns danach von seinen Ameisenbeobachtungen erzählen kann, während Ono begonnen hat, Reis in Algen zu kochen: Gekochter Reis, in Sushi-Algenblätter eingelegt… Wenn man uns noch ein wenig länger in der Wildnis beliesse, würden wir uns wohl zu Dreigang-Menus steigern.

Danach habe auch ich Zeit, mich meinen körperlichen Bedürfnissen zu widmen, und ich stapfe durch eine Blumenwiese,



die bei uns auf einer Alp wachsen könnte – nur wohl nicht ganz so üppig und intensiv in den Farben… Und nicht mit so viel Edelweiss…