Reflexionen

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Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 17 (1)

∞  3 Oktober 2007, 16:07

Erlebt am 23. Juli 2006 – von der Biger-Senke zum Mother Mountain



Ein extrem harter Trail in die Ungewissheit


_ mehr Bilder folgen_

Diesen Tag werden wir nicht so schnell vergessen…

Ein letzter Blick auf diese traumhafte Kulisse…



Der Weg nach Biger ist eine Qual. Wir müssen unzählige vertrocknete Furten von Wasserläufen durchqueren. Sie sind durch das Abflusswasser der umliegenden Gebirge entstanden und weisen scharfkantige Ränder auf. Und da wir längs durch das Tal müssen, liegen diese Läufe alle quer zur Fahrtrichtung…

Der Bigersee hat nur noch wenig Wasser, und so sind die erhofften Wasservögel nicht zu beobachten.

Wir lassen am Ende doch leichten Herzens die Biger-Senke hinter uns, zumal der Pass, den wir dafür überqueren müssen, eine recht gute Strasse ist. Aber wir haben ein Problem mit dem Kühlsystem des Autos. Der Behälter hat ein Loch und bergauf kocht das regelmässig nachgefüllte Wasser über. Also bekommen wir regelmässige Pausen, in denen Baktar das Auto mit offener Motorhaube hangabwärts in den Aufwind stellt, so dass das Auto einem erschöfpten Hund gleicht, der mit offener Schnauze nach Luft hechelt…



Auch so schaffen wir die Passüberquerung auf knapp 2900 müM. Trotz der Höhe sind wir auf der Abfahrt schon bald von grünen Wiesen umgeben. Ein kleiner See, ein gut Wasser führender Fluss. Eine kleine Idylle, scheint es. Das Picknick findet allerdings ohne Fussbad statt: Der Bach schäumt an verschiedenen Stellen, und nach Thomas‘ Geschmack hat es von den falschen Fliegenlarven zu viele und von den richtigen gar keine…

Aber wir brauchen ja auch kein frisches Wasser – dafür relativ dringend Diesel. Den finden wir in Tsogt, oder zumindest Spurenelemente davon. Der auch hier offen auf einem behelfsmässigen Fundament stehende Tank ist praktisch leer… und die Pumpe ist defekt. Also wird wieder ein Trichtersystem improvisiert für den Tankstutzen, und nachdem der Angestellte, der die Tankstelle bedienen sollte, im Dorf gefunden ist, kann das Schöpfen des kostbaren Treibstoffs mittels zweckentfremdetem Milchkessi beginnen…



Ein selbst gezapftes Pils, sagt man, kann schon mal sieben Minuten dauern. Nun, Diesel tanken dauert manchmal eine Stunde. Aber man kommt ganz offensichtlich immer irgendwie zum Ziel!
Ich schaue mir derweil an, wie es so aussieht, wenn ein Nomade versucht, sesshaft zu werden…



Die nächste Strasse soll laut Onos Karte eine „weisse“ sein, also eine guter Qualität, und ein Pass-Symbol ist auch nicht vermerkt. Was uns dann allerdings erwartet, ist eine kleine Hölle, vor allem nach der Passhöhe auf der Fahrt abwärts. Hier ist die Strasse nur noch ein Serpentinenweg, durchsetzt mit spitzen und scharfkantigen Steinen. Das ganze Gelände ist eine einzige Schotterwüste, durch die Autos und Regenwasser eine unregelmässig tiefe Fahrrinne gegraben haben: Die Fahrspur weist in deren Mitte eine gefährlich hohe „Nase“ auf, was sehr gefährlich sein kann, wenn man darauf mit dem Unterboden aufschlägt.

Die Strecke ist endlos lang, weil wir zum Teil regelrecht auf den Erhöhungen von Mittelnase und Fahrrinnenrand balancieren müssen. Hinzu kommt, dass das Kartenmaterial so ungenau ist, dass wir keine klare Vorstellung haben, wie weit die Strecke ist, bis wir hinter jeder Wegbiegung nur noch hoffen, endlich auf die Ebene hinab blicken zu können. Da dies sehr lange nicht der Fall ist, sind unsere Nerven ziemlich angegriffen, als wir endlich freies Land vor uns haben.

Die Strasse hier ist im Vergleich mit dem, was hinter uns liegt, eine Autobahn…



Allerdings ergibt sich daraus das nächste Problem: Die flache Landschaft vor uns ist sehr weitläufig und die Sicht im grellen Nachmittagslicht sehr schlecht. Am Horizont verlaufen die Blau- und Gelbtöne in diffusen Dunst oder dunkle Schatten über. Hier unten sollen Familien Gemüse anbauen, aber wir können in unserem ganzen Blickfeld keine einzige Jurte ausmachen.



Wir wissen aus dem Reiseführer und unseren Erkundigungen, dass der Berg weit vor uns, mitten in der Ebene, der gesuchte Mother Mountain sein muss. Ihm vorgelagert soll die gesuchte Oase von Zakhui liegen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als runter zu fahren und bei einer Begegnung zu fragen. Allerdings haben wir, seit wir diesen elenden Pass befahren haben, keine Menschenseele mehr getroffen…

Selbst wenn wir niemanden finden, so wissen wir allerdings:
Verirren können wir uns nicht. Wenn wir uns gegen Osten wenden und uns an der Flanke des weiten Tals halten, dann müssen wir auf Bayan Tooroy stossen, und von diesem Ort habe ich die Koordinaten bestimmt. Das ist zwar auf der Karte nur auf ein paar hundert Meter genau möglich, in der Fläche aber dennoch Garant dafür, dass wir es nicht übersehen können. Und der Berg, den wir suchen, liegt vor uns. Ihn können wir nicht verfehlen. Wir müssen uns nur darauf einstellen, dass wir das touristische Ziel, die neun Töpfe im Sandsteinmassiv des Bergs, allein nicht finden werden und irgendwann ohne Erfolg campieren müssen.

Also fahren wir los.