Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 15

∞  1 Oktober 2007, 09:13

Erlebt am 21. Juli 2006 – von Hochmorit bis vor Tayshir


So schnell die Füsse tragen


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Weitere Bilder folgen später

Der Tag begrüsst uns nicht gerade überschwänglich. Oder wir ihn. Der Regen hat zwar nachgelassen, so dass das Zusammenpacken noch einigermassen ohne grössere Sauerei gelingt, sprich, nicht Tonnen von nassem Sand in die Zeltbahnen eingewickelt werden.

Unser Führer meint es gut und ramscht sein Zelt selbständig zusammen. Ich muss schmunzeln, als wir es sehen und ihm helfen – oder uns, indem wir die Teile nochmals auseinander falten, säubern, und dann mit der richtigen Membran gegen innen wieder zusammen legen. Wer etwas nicht kennt, braucht Hilfe, Anleitung und ein Vorzeigen. Hier sind wir alle gleich. Und darin wird man auf Reisen zum Schüler – genau so, wie selbst ein Mongole, gewohnt an das Leben in freier Natur, nicht einfach so mit jedem fremden Hilfsmittel gleich zurecht kommen kann.

Wäre uns Hochnäsigkeit ins Näschen gewachsen, so hätten wir sie bald verloren. Denn uns stand ja noch der Ritt zurück bevor…
Ich weiss es nicht mehr, aber ich bin dennoch ganz sicher, dass ich beim Aufsitzen die Augen geschlossen hatte und ein Seufzer sich durch meine Lippen presste… Dann schaukelt es mich durch die Dünenkämme heimwärts. Alles erscheint mir als Daheim, was mich von diesem Rücken runter bringt… Als wir die Ebene endlich erreichen, steige ich ab. Heroisch nachsichtig mit meinem Kamel führe ich es hinter mir her und marschiere los. Thinkabouts Wife hält es genau so, Ono sitzt später wieder auf. Mir ist’s egal. Sollen alle Mongolen dieser Welt denken, was immer ihnen eingegeben wird – sie müssen sich ja nicht bald wieder auf mein Hinterteil setzen. Ich aber schon.

Thomas schaukelt derweil gemütlich voraus. Von uns Vieren ist er derjenige mit der geringsten Reit-Erfahrung. Aber er hält sich mit Abstand am besten. Die wahren Helden aber, das ist klar, sind wir, die wir das grösste Leid aushalten (müssen). Ach ja, regnen tut es auch. Immerhin hagelt es nicht, denke ich. Und alles ist gut, weil ich den Kamelrücken neben mir und nicht unter mir habe.

Am späten Vormittag erreichen wir die Familienjurte der Kamelzüchter. Baktar sehen wir unversehrt wieder, er scheint die Pause genossen zu haben. Das Auto ist geflickt, steht allerdings unvorbereitet, also nicht vorgepackt und mit dreckigen Scheiben etwas verloren da, dafür prangt mitten vor der seitlichen Schiebetüre ein prächtiger Scheisshaufen. Das ärgert mich nun doch, und ich knurre eine Weile vor mich hin. Ganz offensichtlich haben der Kamelrücken und der stärker werdende Regen meine Nerven doch etwas aufgeweicht…

Dann werden wir zum Frühstück in die Jurte gebeten – und alles ist schlagartig vergessen. Das Bänklein ist wohltuend schmal… man merke: Je weniger Auflage fürs Hinterteil, um so besser. Vor allem aber ist es warm am Küchenfeuer. Und der Milchtee ist herrlich heiss, es gibt Pfannkuchen mit Milchrahm und süssen Backteig. Noch selten habe ich so herzhaft gefrühstückt, während ich mir Gedanken mache über das Leben für diese Menschen. Wir haben Sommer. Die mildeste Zeit des Jahres – aber nur schon der Regen erschwert das Leben hier sehr.

Auch heute müssen sie raus, die Tiere versorgen, Vorräte anhäufen. Jetzt ist es nur nass. Im Winter, bei mindestens 20°C unter Null, ist das anders…

Wir müssen aufbrechen. Ein kurzer Abschied voller Herzlichkeit, und dann fressen wir Kilometer. Das miese Wetter macht auch keine Lust auf Bummelei. Wir machen uns dabei nicht zu viele Gedanken über den Rückstand auf die Marschtabelle. Nichts soll erzwungen werden. Und die Plätze, die wir für die Lager finden, sind einfach traumhaft! Es hat rechtzeitig aufgehört zu regnen, und in der lauend Abendluft trocknen die Zeltwände rasch nach.





Diesmal bauen wir mit Hilfe des Autohecks gar ein Vorzelt auf. Alle sind in bester Stimmung. Ein wund gewalktes Gesäss scheint die Stimmung gar beflügeln zu können…
Thinkabouts machen eine Fleischbeschau, wie wir das nennen: Jetzt wagen wir es erstmals, die jeweilige Bescherung gegenseitig zu begutachten und uns zu schildern… Und wir diskutieren mögliche Therapiemethoden mit ganz praktischen hoffentlich positiven Nebenwirkungen, damit unsere Unterhosen baldmöglichst nicht mehr kleben mögen… Thinkabouts Wife vertraut auf den guten alten Freund, der immer verfügbar ist: Speichel. Ich hoffe auf Bepanthen… Vorläufig aber könnten Paviane auf uns neidisch werden…