Reflexionen

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Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Mongolei 2006 - Tag 12

∞  30 September 2007, 13:14

Erlebt am 18. Juli 2006, im Mankhan-Tal


Höhlen- und andere Menschen


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Weitere Bilder folgen später

Während wir von neugierigen bis eher aufdringlichen mongolischen Berglern umringt sind, versuche ich mich mit Tagebuchschreiben auszuklinken, da ich eh nichts zur Unterhaltung beitragen kann.

Heute sind einige Dinge nicht ganz nach Plan gelaufen… Erst mal haben unsere Frühstücks-Chapati viel länger gebraucht, als geplant. Die Pfanne, die wir zur Verfügung haben, hat sich dafür als ungeeignet erwiesen: Sie ist zu dünn und speichert daher die Hitze zu wenig, so dass wir das Feuer nicht genügend hinunter drehen können, um die Brotfladen langsam zu braten. Die Pfanne braucht danach eine Intensiv-Schmirgel-Sandbehandlung durch die bedauernswerte Ono.

Im Zentrum müssen wir noch Briefmarken, Brot (das Experiment wiederholen wir so wohl nicht…) und andere Kleinigkeiten besorgen – und tanken. Bis wir abreisen können, ist es elf Uhr.
Doch unser Tag ist ja noch heil! Andere haben deutlich grössere Sorgen: Wir fahren durch eine weite, von Sonnenlichtreflexionen auf kargem Stein gleissend helle, unwirtlich anmutende Landschaft und stossen auf einen Unglücklichen: Er sitzt in einem notdürftig aufgebockten Auto am Strassenrand.



Das Auto hat sich hinten einen „gewöhnlichen“ Plattfuss eingefangen, ein Reifen vorn ist allerdings komplett zerfleddert und hängt nur noch in Fetzen auf einer verbeulten Felge, weil der Fahrer mit dem platten Hinterreifen noch 3 km weiter gefahren war… Und dies dutzende von Kilometern von der nächsten Siedlung entfernt. Da heisst es dann warten, bis mal ein Fahrzeug vorbei kommt, das einen mitnehmen kann… Und so wartet der Begleiter hier nun seit einem Tag auf die Rückkehr des Bruchpiloten, der in Hovd nach Ersatzteilen suchen dürfte – passende Felge inklusive…

Baktar lässt ihm Wasserflaschen da, dann geht es weiter. Keine Aufregung. Alles ganz normal. Die Menschen hier machen auch Fehler. Aber sie ertragen die Folgen stoisch. Unsere Chapatis sind auf jeden Fall vergessen.

Unser Reiseführer in Buchform empfiehlt uns den Besuch des Mankhan-Tals, an dessen Ende es eine grosse Höhle mit Felszeichnungen und ein Jurtencamp geben soll. Sogar die Telefon-Nummer ist aufgeführt.

Der Weg zieht sich endlos dahin. Lange wissen wir nicht mal, ob wir das richtige Tal gefunden haben, bis wir endlich eine erste Kamelherde sehen.

Der Kamelhirte bestätigt uns, dass wir immerhin auf dem richtigen Weg sind, immer nur „geradeaus“, 8 km, bis ans Ende des sich verengenden Tals. Die Strasse aber wird immer schlechter – hält uns aber schliesslich eine leuchtend neu gestrichene geschlossene weiss-rote Schranke vor den Kühler. Der „Fremdenführer“, der diesen touristischen Hotspot beaufsichtigt und uns aus einer fleckigen Jurte entgegen kommt, ist erst seit fünf Tagen im Amt, macht aber gerne eine Führung in die Höhle, wofür er aber keine Lampe zur Verfügung hat. Dabei wäre sie es durchaus wert, besser als mit unseren dürftigen eigenen Lampen ausgeleuchtet zu werden. Sie ist sehr gross und recht tief, auch wenn ich – nicht nur wegen des beschränkten Lichts – nur eine Felszeichnung als „Original“ durchgehen lassen will. Ich bin kein Fachmann, aber da waren an manchen Stellen vor allem viele Kinderhände von Besuchern aktiv… Ansonsten wirbeln wir vor allem zu Staub gewordenen Vogel- und Fledermäusekot auf…

Und das Camp? Fehlanzeige. Ein paar Steine einer schon verwitternden Grundmauer und ein gegossenes Fundament verraten eine ehemalige Absicht, mehr ist da nicht. Immerhin sehen wir auf dem Rückweg an einer Wand direkt an der Strasse Zeichnungen, die ganz eindeutig älter sind und gut erhalten. Wir fahren die gewundene, holprige und mit spitzen Steinen übersäte Strasse also wieder zurück, an den Eingang des Tals, wo sich die Landschaft öffnet und sattgrüne Wiesen leuchten. Hier wollen wir gerne übernachten, nachdem wir ein paar fest gebaute Häuser hinter uns lassen, ohne dass sich darin etwas geregt hätte.

Der Platz ist von vielen mannshohen Büschen umsäumt, in denen uns die Widehöpfe schon erwarten, während ein stattlicher Greifvogel auf einem freien hohen Ast unser Ankommen zur Kenntnis nimmt.

Ganz in der Nähe äst eine grosse Kamelherde, die Thinkabouts Wife in aller Ruhe beobachten kann. Als wir die Zelte aufgestellt haben und am Kochen sind, wird uns klar, dass wir diesmal unser eigenes Lager wohl zu nahe an Jurten aufgestellt haben. Auf jeden Fall bekommen wir Besuch, und diesmal sind die Menschen nicht besonders freundlich.
Ein älterer Mann scheint schon einiges Fahrwasser getankt zu haben. Sie rücken uns ziemlich auf die Pelle, die sonst übliche Zurückhaltung ist nicht zu spüren. Schliesslich will der Chef der Gruppe ganz offensichtlich Geld sehen, weil er schliesslich der Parkverwalter sei.

Ono ist geistesgegenwärtig genug, die Quittungen zu zücken vom Eintritt, den unser sagenhafter Höhlenforscher von uns verlangt hat, um dazu zu bemerken, wir hätten schon bei der Naturschutzbehörde bezahlt.

Mannomann… Toms Spektiv, durch das die Menschen ihren eigenen Kamelen auch auf Distanz tief ins Auge sehen können,



vermag die Stimmung ein bisschen zu lockern, und die angebotenen Bonbons werden gerne genommen, sofort ausgepackt – und die Papierchen einfach weg geschmissen.
Es folgt ein langes Palaver, das ich nicht verstehe, auch wenn ich fühle, dass es auch unseren mongolischen Freunden nicht wohl ist.

Inzwischen sind die Menschen abgezogen, nachdem die Kamelherde beim Aufsuchen der Schlafplätze unser Camp gestreift hat. Sprichwörtlich. Ein Tier ist zwischen die Spannseile von Thomas‘ Zelt geraten, hat sich erschreckt und ausgeschlagen und dabei das Seil zerrissen.
Wir flicken es, indem Thomas ein Stück Zahnfaden zur Verstärkung einsetzt…

Wir beschliessen, am Morgen in aller Frühe zu verschwinden und schlafen natürlich auch schlecht. In der Nacht wecken mich wiederholt Geräusche, die mich einmal auch aus dem Zelt locken. Ich habe mich schon wohler in meiner Haut gefühlt, ohne allerdings etwas Ungewöhnliches festzustellen.

[Nachtrag: Heute sehe ich, dass wir in diesem Fall die Etikette wohl selbst verletzt hatten: Die Jurten standen ganz in der Nähe, verdeckt durch die Büsche. Wir wurden eindeutig als Eindringlinge empfunden, was aber genau so falsch war. Beginnen Menschen, wenn sie in engeren Tälern wohnen, feste Besitzungen gründen, ganz automatisch damit, innere und äussere Zäune zu errichten?]