Reflexionen

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Australien 2007 - Tag 10

∞  17 Mai 2008, 20:21

Erlebt am 02. November 2007 – von Mt. Gambier nach Little Dip (Robe)

Wetterbericht: Garstig und doch (noch) artig




Die Türe der Reception im Caravan Park in Mt. Gambier ist unermüdlich. Aber in aller Frühe ist der durchdringende Pfeifton, der ertönt, wann immer irgendein Gast des Caravan Parks die Tür aufstösst, besonders unerträglich…

Das Nutella-Frühstück ist daher klassische Nervennahrung, und wir machen, dass wir von diesem einigermassen düsteren Platz und von seinen verwegenen Gestalten weg kommen. Unser erster Halt gilt dem Blue Lake, einem Kratersee, der das Wasserreservoir von Mt. Gambier darstellt. Der See hat eine besondere, noch nicht restlos erforschte Eigenheit: Für einige Monate im Jahr ändert sich seine Farbe in ein tiefes Blau, das nicht länger mit dem Himmel korrespondiert, mag der auch noch so grau verhangen sein, wie wir sehr schön selbst feststellen können – denn es beginnt bald einmal ganz schwach zu regnen.


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Petrus bleibt aber zögerlich, und als wir unseren Ausgangspunkt für eine Vogelbeobachtungswanderung erreichen, scheint sogar die Sonne. Die Wanderung zum Lake Frome beschert uns Begegnungen mit jagenden Seeschwalben, Füchsen und Katzen, schwarzen Schwänen und Emus, die sich freiwillig nasse Füsse holen.

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Die Weiterfahrt nach Beachport konfrontiert uns leider mit weiteren ausgedehnten Landstrichen von Monokulturen der Holzindustrie: Kilometerlange Einheitsnadelwälder, in denen die Bäume wie Soldaten stramm stehen, eng aneinander gereiht, und dann plötzlich öffnet sich die grüne Front und ebenso grosse Flächen blaffen dich an, kahl gemäht, als wäre Meister Rübezahl mit einem Baumrasenmäher über seinen riesigen Vorgarten getuckert. Einfach unheimlich…

Beachport ist dann wieder ein Ort, den ich konzentriert anfahre, nachdem mein ungeübter Touri-Rundumblick fast eine Kurve übersehen hätte… Das Küstenstädtchen bietet einen schönen “Scenic Drive” an und hat einen langen Jetty, der auch noch benutzt wird, wenn auch nur zur Fischerei. Es bläst gehörig und die Wolken schieben sich den Horizont entlang, als wollten sie das Licht für immer verschlucken.

Also fahren wir weiter nach Robe, wo man von solchen Wolken noch wenig zu wissen scheint und auch der kleine Obelisk keine Gefahren zu erspähen scheint.

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Was wir einigermassen ernüchtert feststellen: Wir sind in unserem ganzen Leben noch nie so viele so schöne Küsten entlang gefahren, ohne dass wir ein einziges Mal eine Gelegenheit offeriert bekommen hätten, auf einer Restaurant-Terrasse für einen Kaffee Geld auszugeben. Keine angeschriebenen Häuser weit und breit…
Also hindert uns nichts daran, Robe zu verlassen und gleich dahinter die Rundfahrt durch den Little Dip Conservation Park zu beginnen. In diesem Park breitet sich ein sehr friedlicher See aus, der von einer tollen Vegetation üppig umfangen wird. Die Vögel, die Tiere allgemein sind zwar sehr scheu, ausser den Moskitos am Picnic-Platz, und die Beschriftungen sind – eigentlich erstmals – unzureichend. So sind wir auf den teils ziemlich überwucherten Wegen nicht immer sicher, wo wir uns nun wirklich befinden…
Das Wetter ist nicht besonders freundlich, was uns erst recht überlegen lässt, wo wir denn übernachten wollen. Wir entscheiden uns für “The Gums”, einen Platz am Anfang des Parks, den wir schon passiert haben und an den wir zurück kommen müssen, wenn wir die Rundstrecke zu Ende fahren. Was nun folgt ist ein richtig langes Stück Weg mit echten Offroad-Eigenschaften: Sandige Abschnitte sind zum Glück sehr rar und nicht wirklich problematisch, dafür gibt es Steigungen und Senken, die von Gesteinsbrocken und –Vorsprüngen übersät sind, so dass wir uns zum Teil den Weg im Schritttempo suchen müssen und uns dabei vorkommen, als würde unser “ARLI” auf seinen hohen Reifen wie auf Stelzen durch die Pampa stolzieren. Dabei sortieren wir die Kücheneinrichtung ein wenig um, wie wir gelegentlichen Rumplern hinter uns entnehmen können. Dafür wird Thinkabouts Wife neben mir ein bisschen still. Mir gefällt’s – nicht ihre Stille, aber die Strecke. Und es ist schön, wenn mein Schatz seine Angst durch Vertrauen ersetzen kann. Das tut nicht nur Machos gut!

Ein paar (anderen?) Machos begegnen wir danach auch noch: Eine Gruppe von Offroadern veranstaltet ganz offensichtlich eine Art Rally auf dem Gelände, und ich kann mich gerade noch rechtzeitig auf die Seite drücken, um eine Kollision zu vermeiden. Danach bleiben wir sicher, da man unsere Durchfahrt ganz offensichtlich per Funk weiter gegeben hat.
Den Nachtlagerplatz finden wir ohne Probleme. Er ist leer und verlassen. Der einzige Gast, mit dem wir den Ort teilen müssen, ist ein grosser brauner Vogel, der ausgerechnet hinter der offen stehenden Tür des Plumpsklos zu brüten begonnen hat. Ansonsten sind wir hier ganz für uns allein, geniessen die Abendstimmung und eine Blumenkohl-Bohnensuppe mit Teigwaren in Muschelform. Wir leben ja richtig feudal…
Der Spass kostet 5 AUSD, “please set it in the box (self registration)”. Okay Chef, machen wir.

Wir bilanzieren unter orange-rotem Himmel, der zu glühen beginnt:
Wir hatten schlechtes Wetter – oder zumindest ständig die Vorahnung – aber wir sind praktisch den ganzen Tag trocken geblieben. Dennoch: Wir sind und bleiben nur beschränkt tauglich fürs Beach-Leben. Sonnenanbeter sind wir eh nicht, aber das helle Licht und vor allem der ständig aggressiv wehende Wind setzen uns zu.
Wir sehen uns an und lächeln: Schön, dass wir in so vielen wichtigen Dingen gleich geschaltet sind!
Ach ja: Keine Fliegen. Der Entscheid war goldrichtig. Wir tauchen in unsere Schlafsäcke im Zelt und in eine sehr tiefe, umfassende Stille.