Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ich wäre gerne Du

∞  3 Februar 2008, 21:19

Ach ja, lieber Freund. Ich hätte mich gerne mehr unter Kontrolle, Du wärst gerne unkontrollierter, spontaner…

In der eigenen Haut glaubt man immer autorisiert zu sein, das einzig gültige Gefühl für die beklemmenden eigenen Grenzen zu haben. Es fällt uns so leicht, uns lieber anders zu sehen, als wir sind. So wie X oder Y. Wir wünschen uns jenseits des Zauns, den wir in unserem Wesen als Grenze empfinden. Und genau das ist dann auch eine Grenze für uns, die uns hindert, auf unseren bestehenden Stärken aufzubauen.

Bei solchen Gedanken erinnere mich immer mit sehr viel Dankbarkeit an einen sehr fähigen Pädagogen in meinem Heimatdorf. Dieser Jugendgruppenleiter hat mich während eines Skilagers in der Pubertät auf dem Skilift angesprochen, in einer Phase, in der ich mich in meiner Haut überhaupt nicht wohl fühlte und mich hasste für mein quirliges Wesen, mein Plappermaul, mochte es auch schon damals durchaus geschliffene Sätze produziert haben…

Jack aber war mit seiner dunklen Haut, den noch dunkleren Haaren und den ganz dunklen Augen sowie mit seinem dichten Bart eine Seele der Ruhe und Ausgeglichenheit. Er schaute mich auf dem Bügellift an und sagte:

Weisst Du, Kurt, ich bewundere Deine Spontanität und die Offenheit,
mit der Du auf Menschen zugehst. Ich hätte gerne selbst mehr davon.


Der Mann brachte das so weise und so gut temperiert vor, dass es mir
nicht gelingen wollte, darin einfach den Trick des gütigen Erwachsenen zu sehen, mit dem er mich aufbauen wollte. Ich spürte, was er mir sagen wollte und dass er es darin
sehr ehrlich meinte.

Seither erinnere ich mich immer daran, wenn es wieder mal die Zeit dazu ist und ich Dein Wesen bewundere und Du Dir mehr von dem meinen wünschst.
Es ist nicht falsch, sich darin zu üben, mehr Zurückhaltung zu üben oder sich umgekehrt versuchsweise aus dem Schneckenhaus zu schubsen, wenn man glaubt, das täte einem gut.
Aber es macht durchaus Sinn, wenn wir mindestens so viel Achtsamkeit darauf verwenden, immer besser zu WISSEN, dass wir schon recht geerdet sind. Daraus heraus gelingt jede Entwicklung der eigenen Persönlichkeit viel natürlicher und leichter, als aus dem vorschnellen Wunsch heraus, anders zu sein.