Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Halle 10, Ambiente: Besuch in Asien.

∞  21 Februar 2013, 18:14

istockphoto.com/MHJ

Haushaltwarenmesse Ambiente in Frankfurt – ich nehme mir am letzten Tag die Zeit, mir die asiatische Halle näher anzusehen. Die Konkurrenz aus Fernost ist mittlwerweile Alltag, Handelspartner aus diesem Raum auch. Also rein ins Ghetto – denn irgendwie ist die Halle 10 ein solches:

Draussen schneit’s. Ein nasskalter Tag in Frankfurt. Ich kann beim Wechsel der Stockwerke oder beim Vorbeigehen an den Verpflegungspunkten immer wieder an einem Fenster stehend einen Blick nach draussen werfen. Ich blicke auf ein fast menschenleeres Aussengelände. Wer die grosse freie Fläche überqueren muss, hat den Mantelkragen hoch geschlagen und stapft eilig vorbei, wie ein Flamingo mit eingezogenem Kopf, während mich hier drinnen der Duft von Räucherstäbchen umgibt. Ausserdem ist Mittagszeit und damit Essenszeit. Eine Verpflegungsecke der Messeorganisation hat offensichtlich nicht das richtige Angebot in der Auslage: Die panierten deutschen Schnitzel und Wurstwaren gleissen unter gelben Strahlern fettig vor sich hin, während sich an jedem Stand müde Köpfe – es ist der letzte Messetag – über asiatische Nudelgerichte beugen, die ein pfiffiger Dienstleister ofenwarm in Styroporpacks anbietet – um anschliessend die leeren Packungen wieder einzusammeln – auf dass kein deutscher Ordnungssinn Anstand nehme und Grund böte, das blendende Geschäft zu unterbinden.

Die Stände sind etwas geordneter als in den letzten Jahren, und durch die Mitten der Hallen lässt sich schon fast flanieren. Die Menschen, von denen wohl viele noch nie Schnee gesehen haben, tragen meist Jacken und frieren bei für mich hier drinnen angenehmen Temperaturen still ein wenig vor sich hin. Es ist gut zu erkennen, wer sich auch umgekehrt geschäftlich schon bestens auf europäische Gepflogenheiten eingestellt hat – doch auch die Messebesucher in dieser Halle sind speziell. Nirgends sitzen sie Anzüge der Europäer so schlecht, laufen Gestalten durch die Gänge, die direkt aus einem Ashram zu kommen scheinen und dsikutieren langbärtige Männer mit faltigen Gesichtern mit Standpersonal, als ginge es hier um philosophische Fragen rund um die Wiedergeburt, und nicht ums Geschäft. Ein älterer deutscher Angstellter einer ausstellenden Firma fällt mir auf – ich kreuze seinen Weg in jedem Besuchergang erneut, wir “scannen” gewissermassen das Angebot, und jedesmal wirkt er etwas verlorener auf mich. Seine Hosen sind zu kurz, seine Schuhe zu grob, die Ärmel des grauen Anzugs zu lang, und unter dem Jacket ragt ein absurd kanariengelb leuchtendes Gilet hervor, aus einem Stoff, der wie Pappe steif gen Boden zeigt. Trotzdem oder gerade deswegen wirkt sein Gesicht grau und es ist nichts in diesem Gesicht, das man sich merken und das man danach beschreiben könnte.

Dann stehe ich vor einer Glasscheibe, dahinter wieder ein Restaurant, wie es scheint, sehr dunkel. An der Tür ein aufgeklebter Zettel: HALAL. Im Eingangsraum viele bärtige Männer, schon wieder, aber nun von anderem Typus, und in einer Ecke eine offene Tür zu einem behelfsmässigen, lichtdurchfluteten Gebetsraum.

Ich trete zurück in den Messegang, laufe vorbei an ungezählten Ständen, in denen einzelne Angestellte mit leeren Stühlen auf Kundschaft warten. Die Blicke sind leer. Die Menschen warten (nicht anders als wir es tun), am gedehnten langen letzten Messetag auf das Ende. Aber das Vertraute, das Daheim ist ganz augenscheinlich viel weiter weg. Und doch ist eines ganz ähnlich wie in allen anderen Hallen: Diejenigen Menschen, denen Verkaufen im Blut liegt, erkennt man auch hier sehr gut. Sie fallen einfach auf.

Dann liegt er vor mir: der zentrale Stand auf der zweiten Ebene der Halle. Er ist über und über vollgestopft mit – Nikoläusen in allen Grössen, Formen und Materialien. Und mitten drin hocken drei Chinesen und checken die mögliche Kundschaft mit Argusaugen. An den Aufbauten des Messestandes ist gleich an drei Orten ein Symbolbild fest getackert:

FOTOGRAFIEREN VERBOTEN.

Ausgerechnet.