Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Die Kunden von FACTS2.0

∞  28 Juli 2008, 09:21

Zeit für eine kurze Bilanz der Ereignisse bei FACTS2.0. Der neueste Eclat hat viele Parallelen zu früheren Geschichten, aber es sind auch Dinge deutlich(er) geworden, die ganz allgemein zu denken geben müssen.

Ganz offensichtlich hat man bei den FACTS-Machern aus dem Trubel im April nichts gelernt und nach wie vor kein echtes Verhältnis zu den eigenen Nutzern aufbauen können.
FACTS kann seine User schlicht nicht als Kunden sehen und nimmt sie darin nicht ernst. Die User machen vielmehr nur Probleme, haben Ansprüche und leben sich nur aus. Und sie stellen gewiss ein unberechenbares Element dar, wenn man Werbung verkaufen will. Dummwerweise machen sie oder machten sie auch die Einzigartigkeit von FACTS2.0 aus.

Schlicht unerträglich erscheinen heute frühere Debatten, in denen die FACTS-Macher Lüscher und Reichenstein in einer rhetorischen Schärfe gegen die Anonymität im Internet angetreten sind. Die Debatte ist nur schon deshalb absurd, weil die Macher FACTS2.0 so gebaut haben, dass beliebig viele User-Accounts von einem Rechner aus möglich sind. Ja, es ist sogar erlaubt, auch seine Pseudo-Identität so zu verstecken, dass anderen Nutzern verborgen bleibt, wo und wie jemand schon kommentiert oder bewertet hat. Mit anderen Worten:

FACTS enthält wirklich alle Faktoren, die eine anonyme Einflussnahme möglich machen. Warum wohl? Nochmals:

Kann die Redaktion verbindlich erklären, dass deren Mitglieder selbst nicht mit mehreren Identitäten und also auch mit Synonymen in der Community auftreten, kommentieren und Artikel bewerten?

Nein, kann sie nicht. Wir wissen es. Damit lassen sich Bewertungen von Artikeln verfälschen, Traffic vorspielen, User befragen. Die Möglichkeiten sind unendlich…

Ich habe selbst zu jenen gehört (und tue es noch), die nicht gegen Anonymität im Netz sind. Dieses Blog hat auch erst seit meiner FACTS-Kritik ein Impressum. Naiv stellte ich mich stets auf den Standpunkt, dass sich Authentizität und Wahrhaftigkeit auch aus der Art des Auftritts und der Argumentation ergeben dürfen. Mit Beginn der FACTS-Geschichte war es mir aber noch wichtiger, kein Ablenkungsmanöver zuzulassen (mit Vorwürfen, aus dem anonymen Blogbunker heraus zu schiessen). Heute ist das wohl obsolet:

Was hier an Scheinheiligkeit vorgeführt wurde und wird, schlägt alle Rekorde.

Wiederholt hat sich auch die Praxis, verbliebene User, die nach den Gründen von Ausschlüssen fragen, mit haarsträubend falschen Erklärungen für das Vorgehen der Redaktion zu versorgen.

Nur, dieses Mal ist eine ganze Gruppe betroffen. Mit Journalisten, Unternehmensberatern, IT-Fachleuten, Juristen und sonst unabhängigen Geistern wie mir. Und darum lässt sich die Sache für FACTS2.0 nicht einfach totschweigen, sondern wird noch ein bisschen weiter thematisiert, nicht nur online, mögen sich klassische “unabhängige” Online-Medien, die sich eigentlich brennend für das Thema interessieren müssten, auch darum herum winden wollen, weil sie es angesichts einer kleinen Klitsche wie FACTS2.0 nicht mit dem grossen Medienhaus Tamedia verscherzen wollen.

Und es kann bewiesen werden, dass die Usanz, PN’s von Usern in der leitenden Redaktion zu lesen, weiter geführt wurde. Dies ohne dass dafür zuvor ein konkreter Sachverhalt eines Verstosses gegen User-Bestimmungen vorgelegen wäre. Von so etwas wie Verweisen oder Warnungen bei entsprechenden Feststellungen einer Verletzung der AGB’s, die, wenn schon, einer solchen Massnahme voraus gehen müssten, kann eh keine Rede sein. Selbst die elementarsten Regeln, denen sich jedes halb anständige Forum verpflichtet, fehlen hier völlig.

Sich nun solche persönliche Informationen in den Händen von Portalsbetreibern vorzustellen, die jeglichen Realtitätssinn in der Beurteilung ihrer Nutzer verloren haben, sollte bestehende User nervös machen, denn die Diskrepanz zwischen dem rhetorischen Giftpfeil aus der Ferne (Reichenstein, iA Tokyo) und der Empfindlichkeit im eigenen Haus (Zürich) ist enorm. Dass dies im April darin ausarten konnte, dass mir mit der Veröffentlichung der PN’s, die ich an die Redaktion geschrieben hatte, gedroht wurde, bis ich andeutete, dass, würde ich das Gleiche umgekehrt tun, das kaum zum Vorteil von FACTS wäre, ist ein separater Skandal, der aber das obskure Selbstverständnis der FACTS-Macher unterstreicht.

Zitat Lüscher im April:


Wir versuchen, auf FACTS ein Gleichgewicht Redaktion-Technologie-Community zu erzeugen. Damit versuchen wir einen neuen sozialen Medientypus aufzubauen. Das führt unter anderem zu Reibereinen wie diesen, denn vor allem einzelne Exponenten aus der Blogosphäre sind der Ansicht, dass eine “Soziale” Newsplattform wie FACTS quasi eine Publikationspflicht gegenüber der Community habe, d.h. dass redaktionelle Eingriffe auf einer sozialen Newsplattform nicht zulässig seien.
(OnlinePC: )


Von dieser Art Gleichgewicht hat man ganz offensichtlich ganz bestimmte Vorstellungen, die sich mit einer freien Medienwelt wenig bis gar nicht vertragen, und dass es anders motivierte User geben kann als jene, die man aus der Partnervermittlungstätigkeit kennt, scheint unvorstellbar. Die Argumentation am Ende ist erhellend:
Danach ist für Lüscher die Konklusion schlüssig, dass redaktionelle Eingriffe in die soziale Newsplattform nicht möglich sind, wenn sie kommuniziert werden sollten. Völlig quer, wenn Sie mich fragen. Es sei denn, er schliesst unter “redaktionellen Eingriffen” schon da das Lesen von User-Postfächern oder die Beeinflussung der Community mit Zweit- und Dritt-Inkognito-Accounts von Redaktoren mit ein. Da hört die offene Kommunikation ja dann wirklich zwingend auf.


Das Projekt hat eindeutig ein Führungsproblem – und nun ein Glaubwürdigkeitsproblem. Und der ständige Hinweis auf unzählige Überstunden suggeriert eine miese Bezahlung und ist – in dieser Form geäussert, erst einmal ein Tritt ans Schienbein des eigenen Arbeitgebers.


Der dürfte aber so oder so gefordert sein: Neben der offenen Frage, wer dieses leck geschlagene Schiff wieder flott machen soll, bleibt die Frage an die Tamedia zu stellen, welche verbindlichen und öffentlich deklarierten Regeln, denen sich die Redaktion verpflichtet, wieder für Glaubwürdigkeit sorgen könnten.


update vom 28.07.08 10h36:
Weitere, neuer Artikel anderswo zum Thema:
...den Dr. Bugsierer fragen
Nach der Eskalation ist vor dem Dialog?
Die Frage gefällt mir, und der Bugsierer, souveräner als direkt Betroffene, führt die Debatte zu dem Punkt, wo es heisst:
Wie weiter?
update vom 29.07.08, 15h02
Mittlerweile sieht es ugugu leider nicht mehr so positiv und hat das mit dem Dialog wieder durchgestrichen…
und neu:
YiGG, Pligg, Facts 2.0 und Co mit Problemen



Rückgrat zu beweisen ist online genau so schwierig wie offline