Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wie es Uhrmacher ticken lassen

∞  16 August 2013, 13:45

Zeit, sagt der Uhrmacher, ist eine Erfindung der Menschen. Und erzählt von der wichtigsten Gabe des Uhrmachers, der eine Uhr verstehen will, ein Kunstwerk – um es zu reparieren, oder nachzubauen. Er sagt, er “müsse”, nein dürfe sich die Zeit nehmen, um verstehen zu können. Mit Ruhe an die Sache heran gehen.

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Wann, bitte schön, machen wir das so? Bei was? Wir haben “noch rasch” etwas zu erledigen, schreiben “noch schnell” einen Artikel. Selbst in der Handwerker-Hobbytätigkeit rechnen wir am Schluss gerne aus, wie viel Schreiner-Arbeit wir uns nun gespart haben, was wir selbst geschafft haben. Dabei könnte und sollte doch die Lust auch darin liegen, dass wir uns dieser Sache in der – sic! – freien Zeit mit Musse, Bedacht und Sorgsamkeit widmen konnten.

Der Uhrmacher erzählt, dass aus dem gebürsteten Strich auf dem Metall, der Feinheit der Politur der Seelenzustand des Schaffers bei der Arbeit erkennbar wird. Wie wir die Arbeit an die Hand nehmen, wie wir sie betrachten, wie wir das Problem erkunden – es sagt alles viel darüber aus, wer wir selbst sind und welche Erfolgsaussichten eine Arbeit hat – und welche ganz sicher nicht.

Vielleicht ist es wirklich kein Zufall, dass die Uhrmacherkunst so viel mit der Schweiz zu tun hat. Uns sagt man immer wieder gerne nach, eben diese Uhren würden bei uns langsamer gehen. Wir reden langsamer. Denken auch? Vielleicht machen wir es einfach ein bisschen unaufgeregter und gründlicher? Wir lassen uns nicht so schnell aufscheuchen – verscheuchen schon gar nicht. Womöglich gehen wir den Sachen auch ein bisschen mehr auf den Grund. Eine Frage, die ausländische Vorgesetzte bei uns manchmal ganz neu kennenlernen, ist die Frage des Schweizer Angestellten:
“Warum?”
Wir führen ein bisschen weniger nur aus, ohne Fragen zu stellen. Macht etwas keinen Sinn, werden wir schneller störrisch als andere. Das gilt sogar fürs Militär. Zumindest nach meiner Erfahrung.

Es geht hier aber gar nicht um das über den einen Leisten Schlagen ganzer Nationen, sondern um das Nachspüren: Womit lockt uns die Kunst der Uhrmacherei? Wann ist es bei uns selbst tatsächlich mal so still, dass wir eine Uhr ticken hören?

Auch wenn es dabei nur darum gehen mag, mit technischen Hilfmitteln etwas zu messen, das der Mensch erfunden hat, wie wir eingangs über die Zeit erfahren haben, so liegt doch schon darin dieser eine Schritt zurück aus aller Hektik. Es geht nicht darum, drei Probleme zu lösen, sondern in eines richtig einzutauchen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Wir hören uns schon sagen:

Das muss man sich auch erst leisten können.

Aber wir leisten es uns eben nie. Wir packen in die Zeit unzählige Erwartungen, ist sie dann endlich mal da. An die Stelle von “noch rasch” tritt “jetzt aber!”.

Jetzt aber wäre es womöglich Zeit, mal die Hände sinken zu lassen. Gerade, weil doch die Ferien erst grad zu Ende gehen.