Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Verkäuferweisheiten sind Lebensweisheiten (einmal mehr)

∞  28 Mai 2009, 21:28

Vielleicht arbeiten Sie nicht als Verkäufer. Sie stehen in keinem Laden, auf Kundschaft wartend, acht Stunden im Tag, und laufen dabei immer Gefahr, genau dann in Ihrer Bereitschaft, im Kunden den König zu sehen, über Ihre Kräfte gefordert zu sein, wenn Sie definitiv nicht gut drauf sind, weil einfach alle Menschen zwischendurch mal nicht im Gleichgewicht sind. Vielleicht arbeiten Sie auch nicht in einem Beruf, in dem Sie Kunden aquirieren müssen, wobei Sie wildfremde Menschen dazu animieren müssen, Sie auf ein Gespräch zu empfangen, damit Sie Ihr Produkt präsentieren können. Sie müssen sich also nicht damit beschäftigen, in erster Linie als Störefried wahr genommen zu werden.

Ganz sicher aber kommen Sie trotzdem besser durchs Leben, wenn Sie gut verkaufen können: Sie wollen einen bestimmten Job kriegen. Sie möchten ein wenig Aufmerksamkeit haben. Sie wünschen, dass man Sie und ihre Argumente anhört.
In allen diesen Fällen betätigen Sie sich als Seiltänzer zwischen Annahme und Ablehnung, austarierend zwischen Selbstsicherheit und Bescheidenheit: Mit Ihren Stärken und Überzeugungen trauen Sie es sich zu, jemand anders dazu zu bringen, sich ein bisschen Zeit für Sie zu nehmen. Wenn Sie so weit kommen, haben Sie sich Argumente zurecht gelegt, von denen Sie mehr oder weniger überzeugt sind, dass sie “stechen” können, so dass Sie es auch schaffen, diese fliessend vorzutragen. Nicht auswändig gelernt soll es wirken, nicht wie eine Litanei tönen, ein bisschen Leidenschaft darf darin fühlbar sein, vielleicht, und am Ende muss das Produkt zur Präsentation passen.
Nur: Auf der anderen Seite sitzt ein Mensch, der die genau gleichen Anforderungen als Käufer auch kennt. Vielleicht kommt die missgelaunte Dame gar nicht in den Schuhladen, vielleicht aber erst recht, weil sie, o je, ihre üble Laune mit einem Stück Konsum bekämpfen will. Wenn Sie als Telefonverkäufer bei mir anrufen, haben sie in jedem Fall schlechte Karten: So gut kann ich gar nicht gelaunt sein, dass ich Ihnen zuhöre, und nicht einmal mit einer freundlichen Ablehnung sollten Sie in jedem Fall rechnen wollen… Und der Einkäufer, der Sie empfängt, tut es am Ende vielleicht nur, weil es nun mal sein Job ist, aber er hat im Grunde überhaupt keine Lust, sich dem Risiko auszusetzen, ein bestehendes Produkt durch ein anderes zu ersetzen, aber er wird den Teufel tun, Ihnen das zu sagen, denn Sie sitzen einfach als Beweis dafür da, dass der Einkäufer seinen Job macht und, siehe da, scheinbar Alternativen prüft.

So drehen wir alle an Rädern, die vielleicht nur im Leerlauf rotieren. Umgekehrt haben wir Erfolg, werden wir gehört, können wir verkaufen – und wissen nicht genau, warum. “Die Chemie” stimmt einfach – und es wird uns vertraut. Oder wir haben als Käufer nun Lust, genau diesem Menschen etwas abzukaufen. Es sind schon Wälder an Papier voll geschrieben worden, um zu ergründen, wie dieses Phänomen ergründet und damit der Erfolg garantiert werden kann. Es ist vergeblich. Wie in jeder anderen Form der Begegnung bleibt das Wechselspiel von Selbstsicherheit und Bescheidenheit, von Stolz und Demut, von Sympathie und Abneigung ein Teil der persönlichen und momentanen Wahrheit. Und auf Dauer bleibt uns allen nichts anderes übrig, als uns selbst näher kommen und nichts anderes sein zu wollen, als unser Selbst.

Das ist überhaupt das Schönste an Allem – und das einzig Beständige. Denn um etwas Anderes geht es nie.

*


Was ich aber definitiv bis auf Weiteres nicht kann: Ich mag als Agent für die Leistungen einer Firma mich verbürgen. Ich mag mit meinem Wort oder mit meinen persönlichen Überzeugungen für ein Produkt einstehen. Aber ich habe in diesem Sinne schon so oft mich selbst und das Vertrauen in meine Person “verkauft”, dass ich dies alles “direkt” nicht kann:
Ich könnte nicht für die Güte eines eigenen Manuskriptes einstehen. Für einen Text. Mich für eine Lesung bewerben. Ich kann noch nicht mal eine Einladung dazu annehmen und bin heil froh, kann ich terminliche und technische Gründe dagegen vorschieben.

Es ist nicht, noch nicht, wohl noch eine ganze Weile nicht, die Zeit dafür.