Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Unsere Stürme im Kopf

∞  10 Februar 2009, 23:26

Wo ich mich auch umsehe, im Netz, in der Welt, in meinem Alltag. Überall herrscht ein Prinzip vor: Multitasking.

Mir wird es ganz wirbelig-schwindelig im Kopf, wenn ich mir klar mache, mit was wir uns so den ganzen lieben langen Tag beschäftigen. Und zwar nicht nacheinander. Sondern gleichzeitig.

Wir leben und bloggen übers Leben. Wir beantworten Mails und nehmen da eine Initiative auf und sollten dort noch was klären, die Wäsche muss noch aufgehängt und die Küche sauber gemacht werden, die Offerte ist noch zu schreiben und das Bahnticket zu lösen. Wir hören von Schicksalen, erspüren Ungerechtigkeiten, versuchen zu helfen oder uns abzugrenzen. Immer aber kämpfen wir mit unseren Ressourcen – und als Folge davon schrammen wir nur den Inhalten entlang, ergründen nichts mehr wirklich und hetzen schon wieder weiter.
Wir bewältigen die Informationsflut unseres Lebens nicht mehr. Wir können uns um viel zu viele Dinge kümmern, schlicht, weil wir glauben, davon zu wissen. Wir “haben davon gehört” – und schon sind wir einer bestimmten Meinung. Wir produzieren hunderte von Mails und wissen von der gleichen Anzahl im Eingangspostfach. Wir produzieren Datenmüll. Fortlaufend.

Und dann ist da die eine Nachricht. Da erzählt jemand. Und es ist sofort klar: Hier steht die Zeit für jemanden still. Da ist kein äusserer Lärm mehr, dafür inneres Schreien. Da kniet jemand am Boden inmitten unseres Wirbelns und Schaufelns und Strampelns. Und plötzlich ist das Alles, was wir uns wichtig reden, den lieben langen Tag, völlig lächerlich angesichts eines Leids, einer zweifelnden Liebe, einer Frage nach Sinn, die nicht leichthin gestellt ist wie das tägliche: “Wie geht’s?”
Da wird vielmehr gefragt: “Wie steht’s?”

Und die Frage klingt bang, bleibt im Raum hängen.

Oder dann kommt da einer, der schreibt Dir, dass er Dich mag, einfach so. Dich und Dein Blog. Und die Blogbibliothek. Und überhaupt. Und endlich spürst Du etwas von einem Netz, das man doch ganz anders pflegen könnte. Von einem Geben und Nehmen, für das es wohl, wenn man sich ihm denn anvertraut, ein Gesetz des inneren Gleichgewichts gibt, das einem erlaubt, immer wieder zu Kräften zu kommen.

Was das Geheimnis dafür ist? Wir sollten uns Auszeiten nehmen. Von einem Jahr bis zu einer Sekunde kann jede Stille lang und aufrichtig genug sein, um uns etwas zu zeigen, das wir nicht länger verhuscheln, verwirbeln und zerrödeln wollen in unserem multitaskingfisimatentenhofieren an die scheinbaren Zwänge, die doch alle nur Vorwände sind:

Vielleicht eine Liebe, die wir in uns für jemanden fühlen, auch wenn wir sie schon so lange nicht mehr zeigen wollen, weil wir, warum nur, nicht aufhören mögen, uns selbst zu quälen mit der irren Vorstellung, da wäre irgendwo und bei irgendwem viel mehr zu erfahren als in sich und bei sich und mit Dir selbst.
Vielleicht eine Leidenschaft, eine Freude, ein Talent, das Eingeständnis, etwas ganz Bestimmtes versuchen zu wollen, einen Traum nicht abzulegen, bevor man ihn wenigstens einmal fertig geträumt hat.
Vielleicht die Erkenntnis, dass nichts mehr zählt als der Augenblick, gerade, WEIL Verlust eine reale Erfahrung wird.

Was ich sagen und schreiben will:
Aus unserer überbordenden Verzettelung kann jederzeit aus verschiedensten Gründen ein Marschhalt werden. Kaum je werden wir den begrüssen, wenn er sich uns aufdrängt. Aber die Bedrohung, die er zu sein scheint, ist oft eine Pause, die wir nötig haben.

Schaffen wir Raum für Begegnungen. Lassen wir uns einander das Leben zeigen. Und üben wir uns in der Freude daran, dieses zu entdecken. Konzentriert. Und ruhig mal auf das eine fokussiert, was uns wirklich beschäftigen soll.






Ablage in ZEIT UND LEERE und in ZUGENEIGT