Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Noch ein Tag

∞  5 November 2012, 20:14

Morgen Nacht wählt Amerika. Wir können uns noch so sehr bissig geben über die Auswüchse des American Way Of Politics, es bleibt dabei: Es ist eine ziemlich bedeutsame Wahl für die ganze Welt. Und wir gucken gebannt hin.

istockphoto.com/koun

Dabei ist der Einfluss der USA ganz bestimmt in den letzten Jahren nicht grösser geworden und sie befinden sich in einer Situation, in der sie der Welt mehr helfen, wenn sie das Erstarken anderer Kräfte respektieren, als wenn sie dies negieren würden.

In diesen Tagen habe ich zum ersten Mal eine Parallele von Gorbatschow zu Obama hergestellt. Natürlich ist die Situation der Sowjetunion damals und der USA heute nicht direkt mit einander vergleichbar. Ähnlich aber ist, dass in beiden Fällen der Staat erkenenn muss, dass sein Einfluss schmilzt, und biede Male hat das Land einen Führer, der genügend Realismus und Friedensliebe besitzt, um dies zu erkennen und darin den Ausgleich mit Dritten zu suchen.

Es ist eine ganze Weile her, dass ein US-Präsident von sich behaupten konnte, er hätte einen Krieg beendet und keinen neuen begonnen. Die Wahl von Barack Obama, auch dies wollen wir nicht vergessen, war in einem Land, das längst nicht flächendeckend den Rassismus hinter sich gelassen hat, eine Sensation, und die Botschaft, die er in den vier Jahren bereit hatte, war für Amerikaner vielleicht manchmal irritierend – für die Welt aber in wiederholten Fällen eine Voraussetzung für Deeskalationen.

Nach den Umständen,

dass die Finanz- und Währungskrise – als schwere Hypothek mit all ihren Ursachen übernommen – die Präsidentschaft von Anfang an einschnürte,
dass der Aufruhr und die Umwälzungen im arabischen Raum sehr viel neue Instabilität brachten,
dass die Volkskammern im Würgegriff der Republikaner alles taten, um die Handloungsfähigkeit des Präsidenten zu torpedieren, zum vermeintlichen Wohl der eigenen Partei und notfalls auch gegen die Interessen des Landes,

nach allen diesen Umständen und vielen mehr hat dieser Präsident, zieht man in Betracht, dass er die himmelhohen Erwartungen gar nicht erfüllen konnte,
erstaunlich viel erreicht – und ist dabei seinem Grund-Image treu geblieben.

Dass jede Verklärung gewichen sein mag, ist kein Unglück, im Gegenteil. Es wäre zu wünschen, Obama würde ein Ruder in die Hand gedrückt, das er leichter steuern kann – mit einem Kongress, der von seinen Farben getragen wird. Dann würde sich zeigen, wie viel mehr sich in vier Jahren noch erreichen lässt, das dem Anspruch der USA, tatsächlich den Weltfrieden zu fördern, wirklich mal gerecht werden könnte.

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Es ist zu befürchten, dass es anders kommt, dass, selbst wenn Obama gewählt wird, der Kongress republikanisch gefärbt bleibt – und nichts fürchten die Amerikaner wohl selbst mehr, als dass dieses unwürdige Spiel der sich blockierenden Parteien nochmals vier Jahre fortgesetzt wird.

Hoffen wir. Und sind wir uns dabei bewusst, dass wir alle nicht wissen, was “für die westlcihe Welt” wirklich für eine Führungsmannschaft zu wünschen wäre. Was wir aber wissen können, ist, in welchem Geist diese Führung versucht werden sollte, und daran können wir unsere Politiker in der Führungsverantwortung überall messen, denn dafür haben wir ein Bauchgefühl. Und es wäre wohl angebracht, eine kritisch konstruktive Grundhaltung nicht nur gegenüber der Regierung einzunehmen, sonern sie auch auf die Opposition anzuwenden. Auch deren Wahlkampf sollte nicht unmittelbar nach der letzten Wahl beginnen, in der irrigen Meinung, das eigene Verhalten sei bar jeder Verantwortung für die gegenwärtige Führung des Landes.