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Mörgeli im Abendrot?

∞  17 September 2012, 19:40

Die rechte bis rechtspopulistische SVP hat einen Chefrhetoriker, der in jedem anderen Land sich als erstes ein Pseudonym hätte beschaffen müssen. Bei uns wird aus dem Namen Christoph Mörgeli ein Idiom, das einem ein Grinsen möglich macht, das aber zugleich im Gesicht erstarren mag, wenn dieser Mann mal vom Stapel lässt. Er formuliert brilliant und wäre noch viel schlagkräftiger, wenn ihm nicht diese besondere Suffisanz eigen wäre, mit der er jedem geschliffenen, messerscharfen Satz das überlegene Lächeln des Kriegers folgen liesse, der sicher ist, soeben vernichtend zugeschlagen zu haben. Wo das nicht gelingt, gefällt sich Mörgeli als erster SVP-Missverstandener in der Rolle des durch die Umstände bestätigten fremdmajorisierten Schweizers, der folgerichtig gegen alle Instanzen wettert, die den Schweizern durch Inkompetenz und falsche Gewichtung, durch Geldverschleuderung und Sozialschmarotzerbegünstigung das Schweizer sein in der eigenen Schweiz vergällen können.

Nun ist Mörgeli selbst Angestellter einer Instanz mit solchem Potential, und er gleicht als von der Universität angestellter Historiker zuweilen einem Lümmel, der frech aus Vaters Glashaus heraus mit Steinen wirft.

Die Fähigkeit, als Staatsangestellter dem Staat, der einen bezahlt, gezielt und notorisch ans Bein zu pinkeln, ist geradezu bewundernswert, weil man es auch mutig nennen könnte. Übermut dürfte daraus werden, wenn eintrifft, was eigentlich jedem klar ist, der Mörgelis Präsenz in der Öffentlichkeit kennt und sie nur ungefähr mit einem regulären Vollzeitjob zu addieren versucht:
Der Mann gerät in Verdacht, und nun auch in die konkrete Kritik, seinen Job zu vernachlässigen – und das, was er dann tut, auch noch nicht kompetent genug zu erledigen.

Die Universität bemängelt den Zustand des von ihm betreuten medizinhistorischen Museums, seine Vorlesungen, die er gar nicht hält und die fehlende Bewirtschaftung und Pflege der noch immer nicht katalogisierten Exponate der medizinhistorischen Sammlung. Und der Fachverband der Kollegenschaft will ihn schnöde aus dem Verein ausschliessen.

Irgendwo zwischen der lustvollen Schickedanz öffentlicher Schärfe und dem Staub der musealen Versäumnisse hat jemand einen Schalter umgelegt und gegengeschossen. Und zwar öffentlich. Und nun erfährt Mörgeli die Repliken, die er mit seinem Verhalten gesät hat, und er moniert – nicht zu unrecht, dass so mancher Angriff auf seine fachliche Kompetenz politisch motiviert sein dürfte.

Man muss das alles, auch als Mörgeli-Gegner, nicht gutheissen und mag sich bei mancher Entwicklung fragen, wie es denn um das Profil jener bestellt ist, die sich nun melden und Dinge anmerken, die ihrerseits seit bald einem Jahrzehnt offensichtlich bekannt sind?

Unter dem Strich ist die Causa Mörgeli, wie es dabei auch immer am Ende um seinen Job bestellt sein wird, ein sehr drastisches Beispiel dafür, dass zuviel Rhetorik und Überspitzung, haarscharf neben dem persönlichen Angriff angesiedelt, sich am Ende immer gegen den Urheber selber richten wird. Und es ist das unter Umständen einzig Dumme an den brillianten Selbstdarstellern, dass sie meinen, an ihnen würde die Farbe nie abblättern. Politik, Parlament und Land profitieren davon nicht. Es entsteht viel Reibung, aber alle Wärme verpufft, oder sie erzeugt eine Hitze, die das Denken auf allen Seiten auszuschalten droht.

So verlernen wir alle das ursprüngliche “Politisieren”, das Ringen um Kompromisse, um Lösungen, in Diskussionen und Besprechungen, aus denen alle als Verlierer hinaus gehen, wenn keine Lösung gefunden wird. Verhinderer aber benötigen nur dies, um es als Erfolg zu deuten. Dabei sollten wir Zuhörer einfach nicht mehr mitmachen, egal, ob Professor Mörgeli in seinem medizinhistorischen Giftschrank zukünftig Ordnung hält oder nicht.

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Presse zum Thema:
Schweres Geschütz gegen Mörgeli
Der Druck auf Christoph Mörgeli wächst
Fachkollegen wollen Mörgeli ausschliessen
Der Fall Mörgeli spitzt sich weiter zu
Christoph Mörgeli – Verweise bei mycomfor.com