Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mensch in Rollen, ob Mann, ob Frau (II)

∞  12 August 2009, 20:10

oder:

Wenn aus Männern Väter werden.



“Wir sind schwanger”, kann man werdende Väter sagen hören. Das tönt gut, und soll wohl auch ausdrücken, wie sehr Mann gewillt ist, die Schwangerschaft mit zu tragen – und wie sehr er sich wünscht, sie mit zu erleben. Dabei ist von dem Moment an, in dem sein Spermium das Ei seiner Partnerin befruchtet hat, nichts mehr so, wie es war – und wird es nie mehr sein. Gleichzeitig ist diese Tatsache Tabu. Unter Männern wird kaum darüber gesprochen. Auch darüber nicht. Und mit der Frau? Sie ist ja schon auf dem Weg, ein Mysterium zu werden. Wird unerreichbar, wenn sie denn jemals erreichbar war.

Wir Männer, eh verdächtigt, die emotionalen Krüppel zu sein, ausgerechnet wir bekommen von der Gesellschaft eine Aufgabe gestellt, welche die stärkste Frau umhauen würde: Wir sollen mit schwanger werden. Ja, wir sehen ein Kind entstehen, wir fühlen es – wie wenn wir Fernsehen oder den Streichelzoo besuchen. Etwas von uns wächst heran, und gleichzeitig haben wir keine andere Bindung, keine mit der Partnerin vergleichbare persönliche und körperlich-emotionale Erfahrung, um es auch wirklich begreifen, verstehen zu können. Wir sehen, wie sich alles verändert, können emotional vielleicht so empfindsam sein, dass wir dies fühlen und den daraus folgenden Tatsachen allen Raum geben wollen. Aber wir sind die Zuschauer. Es geschieht ausserhalb von uns. Nichts ist mehr, wie es war. Aber wirklich verändert hat sich alles für die Frau. Wir selbst erleben keine hormonellen Veränderungen, wir gebären nicht, wir stillen nicht. Für die Innigkeit und Verbindung zum Kind, wollen wir seinen engsten und tiefsten Bedürfnissen gerecht werden, bleibt nur die Beschützer-Rolle. Es ist schon rein biologisch nicht möglich, eine vergleichbare Bindung zum Kind zu haben.

Mann und Frau beim Arzt während einer Schwangerschaft: Er wirkt immer so, als wäre er dabei (guuut), aber er ist nie mittendrin. Ich behaupte, dass ein Paar heute zwar größere Chancen hat, die emotionalen Glücksgefühle werdender und junger Eltern zu erleben, gleichzeitig sich aber viel größeren Schwierigkeiten gegenüber sieht, weil die Ansprüche an sich selbst und die Erfüllung in der neuen Rolle so hoch geworden sind, dass aus dem Mehr an Emotion ein Mehr an Frustration folgen wird.

Ich erlebe, wie bereitwillig und engagiert sich moderne Paare organisieren, um sich als Familie zu managen. Die Einbindung der Männer funktioniert vielfach sehr gut und ist für diese selbstverständlich. Gleichzeitig sind nicht nur die Ansprüche ans Leben hoch – sondern auch jene, die man der Gesellschaft gegenüber zu erfüllen glauben muss.

Viel geändert haben mag sich dabei nicht, sobald diese Modelle gelebt werden. Noch immer ist es vor allem der Mann, der Aufgaben außer Haus wahr nimmt, der tendenziell mehr Zeit arbeitet und mehr verdient. Aber genau so, wie seine Frau nicht mehr nur Mutter ist, sein will, sein kann, so ist er nicht mehr nur Ernährer, sondern glaubt, Ehemann zu bleiben und will Vater sein. Es sind dabei die Bilder im Kopf, die irgendwann nicht mehr zur praktischen Erfahrung passen. Das Wellness-Wochenende, das dem Paar auf den zehnten Hochzeitstag geschenkt wurde, ist vor dem vierzehnten Jubeltag noch immer nicht eingelöst. Sie möchte eigentlich “ohne die Kinder” gar nicht verreisen.
Wann immer Kinder der Mittelpunkt einer Ehe sind, bilden sie einen Teil der Selbstidentifikation der Partner – und sind damit auch der Gegenstand von Machtkämpfen. Und Machtverteilung spielt in fast allen Beziehungen leider eine Rolle, ist Gegenstand der meisten auch kleinen Streitigkeiten, Grund für den kleinen, beiläufigen verbalen Stich. Und wenn es dann los geht, so hat der Mann verloren. Wie immer. Mit dem grossen Unterschied, dass er es heute noch viel schwieriger hat, damit emotional zurecht zu kommen. Denn wenn er sich von seinen Kindern trennen muss, wenn er auszieht, hat er eine echte Ahnung davon, was ihm verwehrt wird. Ich habe mehr als einmal Väter in der Angst vor dem Verlust ihrer Kinder weinen sehen, aus tiefster, ehrlichster Liebe weinen – und jedesmal habe ich dabei gedacht, dass zwei Generationen früher diese Gespräche anders verlaufen wären.
Das mag kein Grund sein, ein Rad zurückdrehen zu wollen, das eh einem Starrlauf gleich sich weiter drehen wird. Aber ich glaube, dass Väter mindestens so sehr wie Mütter heute von sich Dinge erwarten, die sie nicht leisten können. Mit dem Unterschied, dass über ihre Probleme kaum gesprochen wird. Auch untereinander nicht. Und sie diejenigen sind, die keine Chance haben, eine Lösung für das Problem zu finden, durch die sie emotional nicht so sehr leiden.

Ich werde wohl häufiger als auch schon (und offener) traditionelleren Rollenverteilungen das Wort reden und in einer gesunden Distanz des Mannes zu jenen Dingen, die ihn ehrlicherweise ein wenig befremden, nicht von vornherein eine emotionale Armut sehen, sondern darin auch mal die biologische Antwort für eine Krux vermuten, die sich für ihn gar nicht auflösen kann. Eine darauf mit aufbauende Ehe hat es vielleicht sogar einfacher, unter einander den Respekt zu wahren, der die Grundlage aller Beziehungen ist, und der Freiräume gewährt, ganz bewusst, aus denen heraus wieder neu nach einander gefragt werden kann. Das ist manchmal einfacher, wenn man aus seinen Familienjobs heraus treten und sich begegnen muss, als wenn man erst zu begreifen hat, dass nicht alle Bedürfnisse im Familienteam-Management aufgehen.