Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


MARIANNE MÜLLER

∞  2 November 2004, 16:55

Meine Gedanken schweifen erneut von der Arbeit ab, kaum habe ich sie endlich gesammelt. Mir geht dieser Bürojob so schwer von der Hand, seit ich ihn nicht länger als die mir zugedachte Aufgabe bejahen kann. Ziellos schweifen meine Gedanken wieder davon, um endlich an der TV-Dokumentation von gestern hängen zu bleiben.
Klar und deutlich sehe ich diese wunderbare Frau vor mir, die ich da über den Bildschirm kennen lernen durfte: Marianne Müller, aufgewachsen auf Schloss Elmau, 95 Jahre alt, und in Ihren Gedanken viel jünger, weil lebendiger als ich.

Jede Bewegung dieser rüstigen Frau ist kontrolliert, gesetzt, von tiefer Ruhe begleitet. Jeder Satz, den Sie spricht, ist druckreif, präzise hingesetzt. Sie beschreibt ihre Beobachtungen mit poetischen Schilderungen, die Bilder, die sie damit in meinem Kopf malt, sind so farbig wie der Bildschirm vor mir, ohne dass je der Eindruck entsteht, sie würde sich besonders darum bemühen müssen. Es ist nichts Übertriebenes in Ihren Worten.
Sie spricht von der Stille. Und eine besondere Stille ist um sie herum.
Es ist eine einladende Stille, aus der ich sie über die immer gleichen Fragen der Menschen reden höre – und über die eine Wahrheit, die mit Hilfe aller spirituellen Wege des Menschen zu finden ist, möge er nur auf sein innerstes Wissen vertrauen und es zu Tage fördern.

Ich muss an die Chancen denken, die wir heute hätten. Wir leben in einer Zeit, in der wir die ganze Welt bereisen und überall mit offenen Augen und Herzen lernen könnten. Wie es Marianne Müller in Südindien tut. Wir wären in der Lage, so viel von einander zu lernen, so viel spiritueller Reichtum ist zum Greifen nah.
Statt dessen schlagen wir uns die Köpfe ein.
Wir streiten darüber, WIE wir durchs Leben gehen sollen, statt dass wir darüber staunen, dass wir alle am Ende das gleiche Ziel anstreben.
Schwer genug ist es manchmal, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren – da könnte jede Hilfe willkommen sein.
Am Ende sind es Menschen wie Marianne Müller, die – jenseits aller Konfessionen und Glaubensbekenntnisse – aus ihrer inneren Verbindung mit Ihrem Ursprung – uns lehren können, unser eigenes Leben so bewusst und spirtuell wie möglich zu er-leben.

Diese weise Frau hat nicht aufgehört, daran zu glauben, dass die Menschheit in sich gesunden kann. Die Stille, die sie mich lehrt, ist voller Hoffnung. Während ich innerlich schreie und ruhelos im Kreis herum gehe, kaum Herr meiner Glieder, wirkt sie in Ruhe und Bescheidenheit, indem Sie einen Fuss vor den anderen setzt, und die Kieselsteine unter sich spürt, einem Baum am Wegrand begegnet und sich darauf konzentriert, dem Gast Tee auszuschenken.
Sie hat heilende Hände, wird erzählt.
Mich hat sie nur schon über den Bildschirm erreicht, berührt und leichter gemacht.

Ist es da ein Wunder, dass jeder, der im Film von ihr erzählt, selbst auch als besonderer Mensch erscheint, erfasst von einer tieferen Ruhe, einer grösseren Übersicht und einer optimistischeren Weitsicht?

Ich danke SWR3 für 45 zauberhafte Minuten.

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thinkabout.myblog.de vom 2.11.04 16:55

Fragmente des Artikels sind am 29. Januar 2008 zu einem zusätzlichen Artikel verarbeitet worden.