Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Krisenlehren für uns alle

∞  20 Oktober 2008, 13:45

Krisen, wie wir sie momentan erleben, bieten auch immer wieder Bilder, Metaphern für mögliche Rückbesinnungen, die abseits der Aktualität ein längeres Nachdenken lohnend machen:

In der aktuellen Finanzkrise fallen zwei Dinge auf:


1. Automatismen regulieren sich nicht selbst



Niemand fühlt sich mehr wohl im Sog der Ereignisse, im Strudel, zu dem die Automatismen des Marktes geworden sind. Wir bewegen die Dinge nicht mehr. Sie bewegen uns. Wir sind zum Spielball geworden. Ganz offensichtlich gilt:

Automatismen beschränken sich niemals selbst.

Jedes System, das die Eigeninitiative zum Eigennutz mit positiv verstandener Leistungsbereitschaft gleichsetzt, kollabiert früher oder später, weil das persönliche Fortkommen jeden Gedanken an ein Gemeinschaftswohl verdrängt.

Die Elemente Angebot, Nachfrage, Konsum, Investition und Verbrauch kennen kein Korrektiv, das im Überfluss den Effekt der sich öffnenden Schere zwischen Arm und Reich dämmen würde.

Es bräuchte ein Bewusstsein dafür, das die Gemeinschaft sich bewahren, erhalten muss, will die Gesellschaft überleben. Dafür wäre eine Mobilisierungskraft der Mehrheit notwendig, in deren Besitz die demokratische politische Macht zu verbleiben hätte. Die Politik ist aber immer ein Abbild unserer eigenen Motivation. So lange die Mehrheit von uns weniger Steuern mit persönlichem Fortkommen und weniger Staat mit mehr Freiheit gleichsetzt, wird die Politik nie begleitend Regularien für explodierende Märkte schaffen, sondern nachhinkend die Scherben auflesen, die “der Markt” verursacht hat.

Es liegt im Grunde immer an uns: Wir haben es geahnt, schon längst war uns nicht mehr wohl. Aber: Haben wir aufgemuckt? Haben wir jenseits der Stammtische ein einziges Wort verloren? Einige Zeilen Leserbrief geschrieben? Haben wir z.B. den Parlamentariern, die wir gewählt haben, geschrieben, und sie um Aufklärung gebeten, wie sie sich zu den wichtigsten Themen zu verhalten gedenken? Oder sie gar angerufen?

Nein. Haben wir nicht. Was können wir schon bewirken? Damit verhalten wir uns aber gleich wie der Möchtegerngross, der den grossen Coup landen und nicht das mühsame Sparen lernen will: Was sind schon 200 Franken, wenn ich die monatlich zur Seite legen kann? Da komme ich ja nirgends hin. Nun haben wir es wirklich viel weiter gebracht, so viel scheint klar…


2. Pausen sind heilsam



Wann sind die Rettungspläne der letzten Wochen entstanden? Alle am Wochenende. Zwischen Börsenschluss in New York am Freitag und Eröffnung in Asien am Montag war jeweils ein wenig Zeit zur Abstimmung, Beratung und Beschlussfassung – und die Gelegenheit, das Beschlossene ein bisschen wirken zu lassen – auch und gerade für die Player an den Börsen. Der Börsenhandel ist eine Art Durchlauferhitzer für Herdentriebsfaktoren, und leider wirkt der nie so stark wie dann, wenn die Teilnehmer selber nicht mehr genau wissen (können), wie die Musik jetzt spielt? Und wenn doch, zumindest nicht, warum?

Entschleunigung ist also angesagt. Fern aller Yoga-Übungen, ganz einfach und praktisch in unser aller Leben. Etwas Gelassenheit bewahren und gerade jetzt fragen:

Was ist eigentlich wichtig?

Wir werden Antworten finden, die uns keine Bank abspenstig machen kann. Geschweige denn, dass sie Teil ihres Angebots wären.


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[Bildquelle: schobel.ch ]




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so ganz allein ist aller Wohlstand nichts als ein Ticket in die Einsamkeit