Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Kontakte ohne Strom

∞  8 April 2013, 20:36

Wie schnell die Zeit ist, in der wir leben, sehen wir auch daran, wie uns Menschen aus dem Sinn geraten: Halten Sie mal einen kleinen Moment inne und überlegen Sie sich, von wem Sie schon viel zu lange nichts mehr gehört und wem Sie noch immer nicht telefoniert oder geschrieben haben.

Oh, tschuldigung, ich wollte Ihnen nicht den Abend vermiesen, im Gegenteil. Es geht uns allen so. Oder? Wir können gar nicht so viel investieren, wie dafür nötig wäre, die Kontakte zu knüpfen und geschmeidig zu halten, die uns möglich wären – noch nicht mal dann, wenn wir diese Menschen tatsächlich auch interessant finden. Mit einem Blog oder anderen Präsenzen im Internet gilt das genau so – oder erst recht.
Vielleicht reden wir daher immer mehr von Netzwerken: Ihnen eigen ist, dass die Kontaktpflege eher ruhen kann, so lange gegenseitiger Nutzen die Wiederaufnahme der Kommunikation nicht ganz “natürlich” anstösst.

Wie damit umgehen, mal abgesehen vom Reflex, das bestimmte eine Mail an jene gewisse Person nun endlich zu schreiben, an die man nun spontan schon x-mal gedacht hat? Ich habe dafür ein wenig die Sicht, dass wir alle Teil eines Beziehungen übergreifenden Ausgleichs sind: Wir pflegen da einen Kontakt über Erwarten und erzeugen Freude, sind dort beschämt, weil jemand anders schon wieder zuerst an uns denkt und wir das auch erfahren dürfen, wir verlieren diesen aus den Augen, während sich eine andere Person plötzlich wieder meldet. In der Schnittmenge dieser Versäumnisse und Überraschungen, dieses Verlierens und gefunden Werdens versuche ich vor allem eines zu lernen: Die Momente, in denen ich mit jemandem zusammen bin, wirklich zu geniessen, auch entsprechend präsent zu sein und hier und jetzt etwas anzubieten, was bleiben kann. Niemand weiss, ob und wann die Gelegenheit dazu wiederkommt.

Und ich versuche, niemandem übel zu nehmen, wenn er sich nicht wieder meldet, denn ich weiss: Ich habe dies anderen auch schon zugemutet. Nur wer das Bemühen anderer nicht gegen das eigene aufrechnet, kann lose gewordene Fäden wieder verknüpfen. Und je nach Typus Mensch sind wir nun mal eher jene, die mehr investieren, als sie bekommen, oder wir gehören zu denen, die nicht aus sich heraus kommen und darum manchmal tatsächlich vergessen gehen.

Jeden Tag haben wir neue Begegnungen. Und wir sind darin immer das Produkt gemachter Erfahrungen, tragen das in uns, was wir durch Gespräche mit anderen erfahren haben, so dass sie in gewisser Weise immer mit uns sind, Teil unserer Erfahrungen und Erinnerungen, und damit einer Vergangenheit, aus der wir in die Gegenwart gefunden haben. Hoffentlich. Und wer auch immer uns da begegnet, hat entsprechende eigene Erfahrungen im Gepäck. Und viele gute Wünsche und bleibend positive Gedanken von und für Menschen, die genau so unterwegs bleiben wie wir selbst.