Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Klima - eine persönliche Frage und Befindlichkeit

∞  24 Januar 2010, 19:47

Die Diskussionen rund um die Bedrohung einer weltweiten Klimakatastrophe gehen hin und her und werfen hohe Wellen. Wie immer in solchen Fällen gilt:
Es wird nicht nur mit der Deutung von Veränderungen der Natur gehandelt, sondern auch mit Prognosen darüber, wie sich das auswirkt und wie schnell wie heftig. Und ganz sicher gilt auch hier: Nennen Sie mir Ihre Meinung, und ich liefere Ihnen den Sachverständigen, der das wissenschaftlich oder fachspezifisch oder expertenmässig entsprechend bestätigt, begründet und mit Fakten hinterlegt, die dann unter Umständen früher oder später sich wieder als fadenscheinig entpuppen.
Aber die meisten Menschen dürften wohl selbst ganz subjektiv feststellen, dass die Veränderungen, welche die Natur erfährt, immer dramatischer sind und immer schneller festzustellen sind. Entsprechend aufgeschreckt reagieren wir wohl genau so, wie es evolutionstechnisch begründbar erscheint:

Wie bei Pandemie-Szenarien wird schwarz gemalt, ja keine mögliche Gefahr ausgelassen und damit die Masse “sensibilisiert”, um die in ihrer Dynamik und Hinterhältigkeit wohl tatsächlich nicht von Anfang an abschätzbare Gefahr in jedem Fall im Keim zu ersticken. Im Fall der Pandemie hat man grosse Teile aller Wirtschaftszweige auf seiner Seite, und es bleibt wirklich der Besonnenheit des Einzelnen überlassen, nicht in gleichem Masse zu hyperventilieren, wie es ihm der Meinungsboulevard populistischer populärwissenschaftlicher Experten nahe legen will.

Beschäftigen wir Bürger der Erde uns als Individuen bei globalen Umweltfragen allerdings nur damit, ob nun alles irgendwann einmal so schlimm kommen möge, wie “alle” oder eben nur “manche” behaupten, so entlarven wir uns selbst, während vielleicht gleichzeitig die Frau zum Einkaufen in die Stadt mit dem Offroader gefahren ist. Wir möchten die aufkommenden Bedenken möglichst schnell wieder abgeben können und sind sehr froh, können wir auf Grund zweifelhafter Quellen oder anderer diskutabler Grundlagen für die Timelines der Erderwärmung etc. mit dem Finger auf Interessengruppen zeigen, die es in diesem Fall auf allen Seiten des Spektrums gibt, was auch erklärt, weshalb hü und hott genau so oft vorkommen.

Aber, es gibt gar keinen Grund, sich in dieser Frage zu streiten.

Ich begrüsse es persönlich vielmehr, dass die Klimakonferenz nicht mehr als allgemein gehaltene Worthülsen ergeben hat, aus denen vielleicht mal eine Absichtserklärung werden wird. Denn dies ist die Realität. Diese Konferenz hat endlich einmal offen gelegt, wie unterschiedlich die Interessen liegen, wie verschieden die Vorstellungen sind und wie schwierig es ist, diese Dinge anzugleichen. Die scharfen Worte, die dazu auch zu hören waren, sind geradezu eine Wohltat.

Die Debatte, wieviel Ausstoss von was wie schnell reduziert werden muss oder kann – das alles schiebt doch – geben wir unseren innersten Empfindungen recht, das Problem nur auf. Seit wir Menschen erkennen können, wie sehr wir in die Natur eingreifen und wir es auch tun, so lange können wir doch auch feststellen, dass diese unsere Eingriffe stets zu Folgeproblemen führen, deren Wechselwirkungen wir nicht vorausgesehen haben. Wir verstehen einelne Organismen vielleicht bis auf die Ebene ihrer Gene hinunter, wir wissen, wie wir diesen Organismus verändern können – aber ob dies zu seiner Gesundung als Ganzes wirklich beiträgt, der Flickenteppich nicht wo anders wieder aufreisst oder aber andere Organismen dadurch auf ein neues Ungleichgewicht reagieren müssen, das verstehen wir nicht. Auch die menschliche Spezies ist darauf angelegt, im Hier und Jetzt eine Lebensbedrohung zu vermeiden oder zu überwinden. Unser vorausschauendes Denken, an sich als Grundtalent vorhanden, setzen wir nie wirklich altruistisch und langfristig ein. Es ist für den persönlichen Vorteil programmiert. Und der meint Wohlstand. Und Wohlstand meint, immer etwas mehr. Wir wollen mehr Lohn, nach Abzug der Teuerung.
Mehr von immer mehr bedeutet, dass wir damit an einer Spirale drehen, die ins Uferlose obenaus schiesst. Das nehmen wir als Gesetz unseres Wirtschaftsprinzips hin: Es drohen Arbeitslose, Rentenverlust und was auch immer, wenn wir nicht wachsen…



© Chappatte in “Le Temps” (Geneva) – 10. DEC 2009


Der globalisierte Markt findet ohne die Natur statt. Er bedeutet die Freiheit des Geldes, sich dort zu mehren, wo die Dynamik dafür am Grössten ist. Er bedeutet nicht, dass die eine Welt, die wir haben, wirklich zur gemeinsamen Aufgabe würde.
Und darum wird keine Klimakonferenz je ein befriedigendes Ergebnis erzielen, wenn wir alle das Problem nicht zu unserem eigenen machen und jene Dinge beherzigen, die wir ganz offenkundig tun können, inklusive jene Einschränkungen auf uns zu nehmen, die wir in Kauf nehmen können. Nein, nicht, weil sie nicht ins Gewicht fallen. Das ist Wischi-Waschi-Wohlfühl-Feigenblatt-Verhalten. Es spielt keine Rolle, dass es der Allgemeinheit kaum Messbares bringt, wenn ich zu Fuss zur Post gehe statt mit dem Auto. Aber es spielt eine Rolle, DASS ich es tue. Es ist nicht entscheidend, dass andere den Hals nicht voll bekommen können. Es ist erst mal wichtig, ob ich selbst mir vorstellen kann, mit weniger Annehmlichkeiten zu leben? Weniger Wohnraum? Weniger Fleisch? Ohne Lachs?

Was geht mir ab, wenn ich mich einschränken müsste? Wie viel Einschränkung wäre nach dem ersten Gezeter bald kein Problem mehr? Wie schwierig wäre es für mich persönlich wirklich, sagen wir mal, 2% mehr AHV bezahlen zu müssen? Für was habe ich Geld? Brauche ich mehr? Was bedeutet für mich brauchen? Verbrauche ich oder gebrauche ich Gegenstände, wenn ich die Wahl habe?
Die Natur braucht mich nicht. Ich hoffe es auf jeden Fall. Aber wenn ich in der Natur einen Platz haben will, dann brauche ich die Natur, dann muss sie mir Lehrmeister sein und mir beibringen, was in ihrem Sinne ist. Auch wenn alle anderen rundum für das nächste Wachstum malochen, muss ich dann wirklich auch? Wieviel von dem, was wir selbstverständlich als wirtschaftlichen Zwang anerkennen, können wir wirklich nicht überwinden? Wir hätten so viel in den eigenen Händen…