Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Getrennte Wege

∞  1 Mai 2010, 17:13

Nicht alle haben meine berufliche Neuorientierung vor wenigen Jahren verstanden. Wenn man sich aus einem Geschäftsfeld zurück zieht, signalisiert man damit gegenüber Kunden und Lieferanten auch, dass man sich eigene Gedanken gemacht hat – und autonome Entscheidungen getroffen hat, will sagen: Ohne Einbezug der Meinung dieser anderen.
Das wird nicht immer verstanden. Und selbst wenn ich selbst der festen Überzeugung bin, fair gegenüber allen gewesen zu sein und insbesondere allen genügend Zeit eingeräumt zu haben, um sich neu und anders zu organisieren, so wird man doch zum Exoten und es mag so manches Bild von einem kursieren, das ohne mein Zutun gezeichnet wurde.
Es hat keinen Sinn, solche Tatsachen zu negieren, und am besten geht man einfach seinen Weg. Auf Fachmessen kommt es dann noch ein paar Jahre lang zu komischen, fremd anmutenden Begegnungen: Menschen, mit denen man sich einst ganz frei unterhalten hat, haben plötzlich Sprach- und Kontakthemmung. Nie ist besser zu spüren, wie sehr die Welt, in der man sich geschäftlich begegnet, eine Unternehmenswelt ist. Die meisten dieser Kontakte haben mit dem Privatleben nichts zu tun – und es lässt sich auch nichts davon ins Privatleben hinüber retten.
Vor zwei Jahren kam mir das in einigen Fällen noch sehr komisch, kindisch und menschlich mager vor. Heute kann ich erkennen, dass dies eben “ganz normal” ist. Und also laufe ich über die Messe und betrachte das Treiben bald so, als würde ich einen Zoobesuch machen. Ich bin gewissen Dingen entwachsen. Das heisst nicht, dass ich mich über diese stelle, bewahre. Ich mag um so mehr andere Käfige haben. Es ist einfach wieder einmal ein Bild für die unumstössliche Tatsache, dass wir nichts so wenig sind wie die glänzenden Etiketten der Firmen, für die wir unsere Talente arbeiten lassen.
Wir sind das, was bleibt, wenn wir nach Hause kommen, aus der Fimra austreten oder vor einem leeren, sprich freien Tag stehen.