Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Ein erinnerter und fest gehaltener Händedruck

∞  1 Februar 2009, 20:43

Es war ein Tag, eingetaucht ins klassische Wintergrau einer gutbürgerlichen Stadt. Der Wind strich über die Brücken des Flusses und zerzauste mein Haar, während er über die breite Krempe des Hutes meines Begleiters glitt, in dessen Windschutz unsere Augen sich suchen und in einander ruhen konnten.
Flussaufwärts schauend hatten wir die kräuselnden Schaumkronen der Strömung stets nur kurz im Blick, bevor sie unter uns hindurch zum nahen See tanzten, vorwärts getrieben vom Spiel eines unsichtbaren Orchesters, dessen Takte atemlos aneinander gereiht sich endlos fortsetzen würden, während wir uns ans Brückengeländer lehnen konnten, ein Stück Gegenwart teilend, das wir mit Erzählungen füllen durften von uns und Menschen, die uns lieb waren und sind.

Wir drehten uns um, mit entspannten Rücken, die in dicken Jacken keine Kälte spüren mussten, und wir sahen, wie das Licht über dem See heller leuchtete, wie sich überhaupt der ganze Blick zur Flussmündung hin weiten durfte, heute, und an jedem weiteren Tag. Ein wenig bedauerte ich es, dass meinem Gast kein Blick in die verschneiten Alpen vergönnt sein würde, und ich vermied es, ihm davon vorzuschwärmen. Ich liess ihn lieber erzählen von Menschen, die ihm wichtig sind, und ich genoss den Frieden, der darin lag, wenn er von seinem Vater erzählte, wie er in alten Jahren ganz unvermittelt nochmals ein Stück Geborgenheit erleben durfte, weil er unter Menschen willkommen geheissen wurde.

Und ganz still für mich erzählte ich im nächsten Moment diesem mir unbekannten Vater von der Freude seines Sohnes über dieses Stück Herzenswärme, das ihm so sehr gegönnt wurde.

Später, viel später und doch viel zu schnell, war es Zeit, sich zu verabschieden. Wir schüttelten uns die Hand. Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich glaube, ich nahm deine Hand und legte sie in die meine. Ich drückte sie ein wenig, so weit es mir mit meiner kleinen Bürolistenhand, die in dieser deiner Pranke so geborgen lag, überhaupt möglich war, und während ich die Kraft deiner Hand genoss, nahm ich mir vor, dir diese Zeilen zu schreiben: Dir zu erzählen, wie schön es ist, diese Hand zu halten, welcher Zauber darin liegt, die Schwielen vieler harter Stunden Arbeit an ihnen zu fühlen und gleichzeitig nicht nur zu wissen, sondern fühlen zu können, wie viel Herzenswärme die gleichen Hände schon Tasten anvertraut haben, Worte bildend, die zu lesen so vielen Menschen schon so viel Freude bereitet haben. Dir mögen diese Sätze wie Schaumkronen auf tanzenden Wellen erscheinen, die längst vergessen sind; ich aber sage dir, dass ich manches davon in ganz stillen Gewässern bewahre, wo sie herrliche Spiegelbilder eines weiten Himmels bilden. Immer wieder neu.


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wenn man reden wie schweigen kann und in jedem Fall von einander hört und mit einander spricht