Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Der islamische Staat ist unser Schlamassel

∞  24 September 2014, 23:41

Vorsicht: Dieser Beitrag scheut sich nicht davor, etwas naiv zu wirken – und sein Verfasser auch nicht. Aber ich bin überzeugt, dass das Bauchgefühl, das er wiedergibt, berechtigt ist.

Ich weiss noch, wie ich Ende der siebziger und in den achtziger Jahren als junger, politisch interessierter Mensch aufgewachsen bin – ohne Palästinenser-Tuch um die Schultern, aber fast ständig unter dem Eindruck der allenfalls nachlassenden Wehen des kalten Krieges und vor allem im Bann des ständig auf- und abschwellenden Nahostkonflikts. “Die Araber” – das war ein unbekannter Haufen mit Bärten. Ausser den Palästinensern und den Ägyptern hatte niemand “da unten” wirklich ein Gesicht.

Und das Bild, das man allenfalls noch von Saudi Arabien vermittelt bekam, war quasi nur das Eintrittsticket für die grosse allgemeine Massgabe:

Die Araber sitzen auf dem Öl, haben keine Durchsetzungskraft, wenig Kultur und bedrohen Israel. Den Islam hat kaum jemand gekannt und auch nur wenige interessierten sich dafür. Die Juden aber waren jene, die man trotz iher Kultur oder gerade wegen ihr vertrieben und verfolgt hatte. Sie waren uns immer viel näher als diese fremde Welt Mohammeds – mochten wir auch Ferienreisen dahin unternehmen – bestenfalls.

Es ging im Umgang und in der Einschätzung der arabischen Staaten immer um Öl und Israel. Vor allem um Öl. Und die scheinbare Abhängigkeit verwandelten wir in ein Machtgehabe, das wir bald nicht mehr hinterfragten, die Militärmächte schon gar nicht. Wir haben Jahrzehnte überheblicher Nahostpolitik hinter uns, in denen wir mit unseren weissen Ärschen in fremden Wüsten hockten, vor uns her transpirierten und dabei nur eine Sorge kannten: Dass wir die Hand nicht mehr auf die Zapfhähnen der Ölquellen halten könnten.

Das muslimische Selbstverständnis war für uns inexistent, während die jüdische Kultur wie selbstverständlich bedroht blieb. Die iranische Revolution machte Angst, und jeder Versuch muslimischer Staaten, durch eine aggressive Politik gegen Israel eigenes Profil im eigenen Verbund zu erlangen, bestätigte die westlichen Vorurteile und Haltungen zusätzlich.

Heute ernten wir die bitteren Früchte dieses Verhaltens. Der Westen bekommt einen Schmelztiegel und ein kochendes Fass Teer vorgesetzt, weil es ihm nie gelang, aus einer Position der Stärke heraus ausgleichend zu wirken. Wir haben die islamischen Staaten nie verstanden – und wir haben uns nie die geringste Mühe gemacht, daran etwas zu ändern. Dies ist im tiefsten Sinn des Wortes kolonialistisches, ja, imperialistisches Verhalten. Und Afghanistan oder der IS sind genau das, was im Grunde folgerichtig daraus entstehen musste – oder zumindest konnte. Und was hat sich denn, bitteschön, in Pakistan verändert, in den letzten fünfzig Jahren, mal abgesehen davon, dass es ein Ort ist, an dem Amerikaner, Pakistani, hiesiges Militär und er CIA ständig an irgendwelchen Drähten ziehen, die rein gar nichts verändern, schon gar nicht verbessern?

Wie können wir annehmen, es liesse sich irgend etwas kontrollieren, das von seiner Bedeutung her überhaupt nicht verstanden wird, aber viel grösser ist als die Kraft einer einzelnen Nation? Es geht um die Identität, die eine Weltreligion sucht und finden will, und es wird für die Angehörigen dieser Religion, aber auch für uns, höchste Zeit, das ernst zu nehmen.