Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Denken von Hand

∞  7 August 2009, 20:38

Wir alle tun es wohl immer seltener, auch in der schreibenden Zunft an Bürotischen: Von Hand schreiben. Was haben Sie für ein Verhältnis zu Ihrer Handschrift? Also, mein eigenes ist ziemlich gespalten bis nicht vorhanden. Meine Schrift bleibt mir, sehe ich sie vor mir, fast so fremd wie meine Stimme, wenn ich sie mal auf Band höre. Letzteres kennen wir wohl alle. Aber die Handschrift? Ich schreibe auch unterschiedlich. Nicht immer genau gleich steil, manchmal zittrig, dann wieder flüssig, mal grösser, mal kleiner. Dabei schreibe – oder schriebe – ich eigentlich gerne Briefe. Auch von Hand. Das mache ich aber nicht mehr. Einen Brief anfangen – mit der Aussicht, bis zum Ende Sätze aufs Papier bringen zu müssen, die von Anfang an richtig da stehen, so dass ich nicht ständig klecksen und streichen – und dann doch nochmals neu beginnen muss – diese Aufgabe kann fast übergross vor einem stehen, nicht wahr? Und dann vor allem die Schrift!

Nun hat meine Mutter mich ermahnt. Das hat gerade noch gefehlt… Ich würde “nicht mehr so schön schreiben”, sagt sie. Da hat sie recht. Und auch wieder nicht. Denn schön habe ich nie geschrieben. Finde ich. Und doch hat sie mich irgendwie an der Ehre gepackt, und als Zeitsucher überlege ich weiter: Die eigene Schrift braucht wie die eigene Rede ein wenig Raum in Form von Zeit. Man kann sich rasch hinbeugen und etwas auf ein Papier kritzeln, oder man kann sich hinsetzen vor einen Bogen Papier, und die Gedanken sammeln. Das Schreiben von Hand hätte also durchaus das Potential, die Gedanken zu bündeln, statt ihnen Tasten hämmernd hinterher zu hecheln. Stellen Sie sich mal vor, wie brutal erschlagend abgerundet die Texte hier plötzlich wären, wenn ihnen voraus eine Phase ginge, in denen ich mir den Inhalt vorab überlegte, und ihn strukturierte – mit Notizen per Hand. Aber so weit sind wir noch lange nicht. Hier wütet die Spontanität – und damit das immer wiederkehrende Phänomen, dass ich am Anfang nicht wusste, dass ich mit diesen Überlegungen enden würde.

Etwas aber nehme ich mir vor: Mir meine hin geworfenen Buchstaben in nächster Zeit etwas genauer anzusehen. Es sind meine eigenen. Andere habe ich nicht, und das Wunder, nicht nur eine Sprache, sondern auch eine Schrift zu haben, ist an sich nicht zu bestreiten, wie auch immer meine Eitelkeit die persönlichen Krakeleien kapriziös verschämt betrachten mag.


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Bildquelle: Schrift des zwölfjährigen Schopenhauers