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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mensch in Rollen, ob Mann, ob Frau (I)

∞  5 August 2009, 15:28

Frauen haben es schwer, Männer auch. Ob wir gegenseitig dazu beitragen, dass es noch schwieriger wird, das Leben, oder ob wir es uns leichter machen können?
Die Grundmuster der Geschlechter ändern sich nie, heisst es, oder nur sehr langsam.

Dabei hat sich in den letzten fünfundzwanzig Jahren, in denen ich vom Studenten zum Ehemann mit Beruf (oder zumindest Profession) wurde, unheimlich viel getan. Vater bin ich willentlich nicht geworden, und doch möchte ich, als Begleiter von Freunden, behaupten, dass dies auch für Väter und Mütter gilt. Doch was heisst: “viel getan”?

Die gesellschaftlichen Wertmassstäbe – haben sie sich wirklich verändert? Ein Mann mit Kindererziehungsanspruch, ein Teil- oder Vollzeithausmann – wir haben ihn belächelt. Ein Exot, nach dem eigenen Verstand mit durchaus ehrenwerten Zielen, aber noch bevor wir nach seinen Füssen geschielt haben, vermuteten wir dort Birkenstocksandalen und grob gestrickte Zehensocken, ziemlich sicher fünffarbig gehalten. Heute sind wir so weit, dass wir uns eingestehen, dass wir nicht länger ausgeschlossen bleiben möchten. Haushalt? Natürlich helfen wir mit, übernehmen wir Aufgaben. Und Kinder zeugen Männer nicht länger nur, um die Gene weiter zu geben.



Sie wollen sie aufwachsen sehen. Natürlich. Und mit ihnen spielen. Auch dann, wenn sie nicht mehr gewickelt werden müssen. Aber nur das? Nein. Und die letzten, die das wollen, sind die Frauen. Aber es scheint mir an der Zeit, dass einmal festgestellt wird:


Frauen haben nach Männern gerufen, die Haushalthilfen und Kinderbetreuer sind. Aber es kamen Väter. Noch nie zuvor wurde der Geschlechterkampf so sehr auch über die Vater- und Mutterrolle ausgetragen, und wenn die Krise da ist, begreifen Männer wie niemals zuvor, dass sie auf der emotionalen Ebene auf ganz fürchterliche Weise die Verlierer sind, weil ihnen die Verbindung zu den Kindern verloren geht.

Väter erlebten zu allen Zeiten, dass ihre emotionale Nähe zu den eigenen Kindern nie auf der gleichen Ebene spielt, wie sie Mütter erleben. Aber heute wollen Väter dies viel eher kompensieren. Sie stecken weniger zurück. Das freut die Frau – aber gefällt es auch der Mutter? Sie will nicht nur daheim sein, hat einen Beruf erlernt. Sie hat heute nicht andere, sondern zusätzliche Aufgaben, die sie sucht und auch bewältigen will. Sie braucht den Mann, in dem sie auch den Erzeuger ihrer Kinder ausgewählt hat, viel unbedingter, um sich selbst genügen zu können. Sie entwickelt vorher eher nur Männern zugedachte Bedürfnisse, nach denen der Partner ein Organisationsgehilfe ist und darin, bitteschön auch sehr willkommen. Aber kann sie auch damit umgehen, dass die Kinder sich emotional stärker an den Vätern orientieren? Ist es nicht so, dass die Mutter im Gefühl, der Kern der Familie zu sein, eine Grundlegitimation sieht, die sie nicht hergeben will und die sie schnell einmal bedroht sieht? Wie sind denn eigentlich unsere Grundeigenschaften zu verstehen, die doch sehr vielfältig beobachtet werden können und nach denen die Frau das verbindene, innere Glied der Familie ist, die ausgleichende Kraft, der ruhende Pol, während der Mann der Krieger ist, der Ruhm und Ehre sucht, sich fortpflanzen, aber auch verewigen will?

Wie stark ist doch in uns Männern der innere Antrieb, Werke zu schaffen, Bleibendes, Unvergängliches. Meiner Frau fällt es viel leichter, ganz für sich zu wirken. Sie kann zwanzig Bände über hinduistische und buddhistische Religion studieren – ohne das Bedürfnis zu haben, dies irgend jemandem mitteilen zu müssen, geschweige denn, dieses Wissen in Kursen weiter zu geben, mag es noch so ausserordentlich sein, was sie sich erarbeitet hat. Dagegen gehen Männer ein paar Stunden in eine Therapie – und fühlen sich dann dazu berufen, nun flugs eine Männergruppe zu gründen und das weiter zu geben, was sie glauben, begriffen zu haben. Wir sind stets getrieben, eine Wirkung zu erzielen, einen Wert zu haben, ein Werk zu schaffen. Männern fällt es sehr schwer, sich selbst zu genügen. Frauen zunehmend auch – weil sie im patriarchalisch gefärbten Wertesystem zusätzliche, ursprünglich den Männern zugedachte Massstäbe auf sich anwenden (lassen).

In jedem Fall aber gilt: Beide Geschlechter verteidigen ihre vermeintlichen Kernkompetenzen. Dabei verpassen wir unzählige Chancen, vom anderen zu lernen, gerade in der Partnerschaft. Wir müssen niemanden übertrumpfen, wir müssen nicht siegen. Wir wollen zufrieden werden. Und wenn wir abberufen werden, dann möchten wir ein paar Dinge richtig gemacht haben. Fragt sich nur, was das heisst…


Foto: Peter Hense (https://www.menschen-das-magazin.de/cms/de/leserfoto/archiv_3-08/gewinnerfoto_3-08/Gewinnerfoto_3-08.html)