Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Aufwachen, St. Gallen!

∞  21 Mai 2008, 14:10

Die Ostschweiz trägt heute Trauer. Grauer Himmel, graue Laune. Der FC St. Gallen ist abgestiegen. Sie hätten die ganze Nacht weiter spielen können und kein Tor geschossen. Unfassbar aber war: Es folgt die zweite Liga. Wenn es allerdings nur ein Jahr dauern soll, muss sich verflixt viel ändern…


Das Beispiel Marc Zellweger: Urgestein hat ihn Sascha Rufer genannt, und er sieht ja auch zottelig-urchig aus mit seiner wilden Mähne, dem breiten, kantigen Kinn, der markanten Nase mit dem scharfen Rücken. Im Spiel ist sein Körpereinsatz denn auch sein deutlichstes Merkmal, verbunden mit einem strammen Schuss und einer öfters mal guten Flanke. Weit hat er es gebracht, der Marc, in früheren Jahren. Noch heute wundern sich viele, dass ihn die Karriere bis nach Köln gespült hat, wenn auch nicht für lange. Er ist längst zurück beim FCSG – und nun mit ihm abgestiegen.

Wie er so da steht, nach dem Spiel, ratlos, mit einer Fistelstimme, die noch nie zu diesem bärigen Mann passen wollte, verkörpert er das ganze Dilemma im FC St. Gallen: Hier atmet doch alles Tradition. Vor acht Jahren ist man Meister geworden, das neue Stadion steht bereit, am Sonntag ist Tag der offenen Tür. Nur das gegenerische Tor ist wie verrammelt und die eigene Wahrnehmung bleibt ein Stück weit gefährlich vernebelt. Sagt doch der Zelli nach dem Spiel:


“Jetzt müssen wir halt ein Jahr in der zweiten Liga spielen.”


Liebe St. Galler,
das wird kein Selbstläufer. Der FC Schaffhausen, Winterthur, Lausanne, Servette – Ihr werdet sie alle treffen in der zweiten Liga, und in allen diesen Clubs gibt es Leute, die irgendwann einmal im letzten Jahrzehnt sicher waren, dass sie nur mal kurz für ein Jahr abgestiegen wären…

Das wird kein Spaziergang, Freunde. Das wird ein Knochenjob. Bei dem man sich auf gar nichts verlassen sollte als auf demütige und konsequente Arbeit, die auf nichts anderes baut als auf die eigene Leistung, dabei aber die Regeln respektiert. Und Gegner und Schiedsrichter. Dann wird man es vielleicht vermeiden können, wie Zellweger gestern mitten in der Aktion stehen zu bleiben und vom Schiedsrichter einen Hands-Pfiff zu erwarten, während das Spiel weiter läuft und sie hinter Dir ein Tor schiessen.
Mein lieber Scholli, ich möchte nicht wissen, wie mancher Juniorentrainer heute abend seinen Kids hinter die Ohren schreibt: Wenn ich Euch einmal sehe, wie ihr mit dem Schiedsrichter diskutieren wollt wie gestern der Zellweger, während das Spiel läuft (es ist übrigens auch zwecklos, wenn der Ball ruht, aber das nur nebenbei), dann könnt ihr gleich duschen gehen. Punkt. Zellweger als abschreckendes Beispiel: Sinnbildlicher könnte man das Elend des gestrigen Abends nicht darstellen.

In der zweiten Liga haben die Gesetzmässigkeiten des Fussballs fast noch mehr Gültigkeit als ganz oben. Die Liga ist einfach zu gut, um Hochnäsigkeit zu verzeihen. In ein paar Wochen beginnt das Lernen. Allerdings ist es auch eine Lehre, bei der nur der Beginn feststeht, nicht das Ende. Notfalls dauert es dann eben etwas länger. Nachsitzen ist nämlich erlaubt, ja kann verordnet werden. Von Gott Fussball höchstpersönlich.

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