Reflexionen

In Wort und Bild gesehen, gedacht und gefühlt
Zum Betrachten, Nachdenken, Mitdenken, Vordenken
Mit Lebenslust ein Leben lang, mindestens


Verletzte Seele?

∞  20 Juni 2007, 18:35

Eine Art Meditation

Geduldig wie Steinmetze
müssen wir arbeiten,
um uns freier zu machen.
Wir sollten nicht verzweifeln,
ob der Härte des Gesteins,
das uns stumm und traurig macht
und unseren Rücken biegt:

Dass wir beginnen wollen,
zu fragen und zu forschen,
dass wir leben und lieben können
oder auch nur wollen,
zeigt uns, dass in uns nichts ist,
das so tief traurig in uns harrte,
dass es nicht entweichen möchte.

Unsere Fähigkeit zur Liebe
für uns und aus uns selbst,
macht aus der Härte des Gesteins
die Höhle der Geborgenheit,
in der in kühlen leisen Winden
wunderbar erfrischt und neu beseelt
die Schöpfung sich in uns entfaltet.

In unserem Menschsein angelegt
ist Gottes Liebe einem Bergsee gleich,
ruhend in der dunklen Tiefe still,
so dass der Himmel sich gespiegelt sieht.

*

Wir können uns von uns abwenden oder uns uns zuwenden. Tun wir letzteres, dann gilt:

Wer sühnt, der zürnt,
wer versöhnt, der liebt.
Sein Ich, sein Selbst,
begegnet ihm in Allen.

Man hat mir weh getan.
ich habe viel gelitten,
ja, leide immer noch.
Erst wollte ich vergessen
und konnte es doch nicht.
Die Zeit schenkte mir
einen neuen Blick zurück:
Nicht länger im Müssen,
eine Weile noch im Wollen und Haften,
bis der Überdruss quälend wurde.
Ich begann, wählen können zu wollen.
Und drehte den Kopf.
Schaute mehr vorwärts.
Ich bekam neue Erwartungen,
liess sie mir schenken,
nicht länger diktieren.

Will einfach leben,
mit all meinen Gefühlen,
begrüsse die alten Fragen,
und lebe mit ihnen,
wie der gewachsene Baum
das Rauschen des Windes
mit seinen Blättern
raschelnd vertont.

Ich bin ein gewachsener Baum,
meine Borke ist dick, krustig,
meine Wurzel tief verzweigt,

Gerade gestern hat eine Kinderhand
mit einer zarten scheuen Fingerkuppe
über das trockene Harz gestrichen,
das aus dem Riss meiner Rinde floss,
damals, als die grobe Wunde
mich noch still leidend tränen liess.

Wenn der Schmerz weicht,
macht es mir keine Angst mehr,
nicht im Boden versinken zu können.
Erstaunt stelle ich fest:
Ich will leben und berührt werden.
Von Kinderhänden, Wind und Wetter.
Ich fühle staunend, wie ich atme.
Ganz offensichtlich soll ich sein.


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Fragment vom 01.11.04
neu erarbeitet am 20.06.07





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