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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zur ARD und Demokratie in Deutschland

∞  31 Dezember 2012, 14:17


istockphoto.com/xavierarnau: “TV Tower in Berlin”




Interessante Diskussion [1] über die GEZ, die zwangsweise Rundfunk- und TV-Gebühr zur Finanzierung öffentlich-rechtlicher TV- und Radio-Sender: Auf dem Prüfstand ist, wieder mal, das Demokratie-Verständnis, insbesondere der ARD.

Ich habe sie noch im Ohr, die Kommentare der ARD-Nachrichtensprecher zur Schweizer Volksabstimmung über das Minarett-Verbot, in dennen diese den Beweis dafür sahen, dass zuviel direkte Demokratie eine Gesellschaft ins Verderben führt und der Bürger (in seiner Mehrheit) niemals mündig genug sein kann, demokatische Prozesse in jedem Fall selbst verantworten zu können.

Mir wurde da als Schweizer bewusst, wie tief in Deutschland das Bewusstsein verankert ist, dass aus einer parlamentarischen Demokratie und dafür vorgesehenen regelmässigen Wahlen der Nationalsozialismus machthabend werden konnte und das Grundgesetz vielen noch heute als einziger Garant für die Sicherung einer Demokratie in Anstand gilt. Verkannt wird dabei, dass eine direkte Demokratie, so ausgestaltet wie in der Schweiz, ungleich mehr Regularien und Korrekturmöglichkeiten im politischen Prozess kennt, die brüske Veränderungen durch Wahlen vermeiden – dank Vielparteienstaat und Regierungsbeteiligung massgeblicher Oppositionsparteien genau so wie durch Referenden und Verfassungsrechtliche Überprüfung von Volksinititaten etc. un unzähligen Sachentscheiden; aber das ist nicht das Thema.

Der Reflex aber schon, mit dem sich eine ARD regelmässig zum Hüter der Demokratie erklärt, nachdem nur sie dem Auftrag einer ausreichenden Information der Bürger gerecht werden kann (und will), um dann auch die bewusst richtigen Kreuze auf dem Wahlzettel machen zu können. Und äusserst befremdend ist es, wenn sich der WDR-Intendant Schönenborn in seinem Kommentar [2] dazu versteigt, in der massiven Kritik an der GEZ auf Facebook und in geschmacklosen Schlagzeilen “sich ungut an frühere Zeiten erinnert” zu fühlen. Immer gleich in heftigen Debatten pogromähnliche Zustände heraufzubeschwören, ist in so manchem Fall einfach nur peinlich, wenn man sich dabei auf die Opferseite denkt.

Auch wir kennen Zwangsgebühren für die öffentlich-rechtlichen Medien, auch bei uns gibt es diese Debatten um den “service public”, aber wir können das sehr viel unbelasteter von der unmittelbaren Vergangenheit ausfechten. An der ARD manifestiert sich aber wohl ein Grundlagenproblem der deutschen Medienlandschaft: Wie hält sie es selbst mit der Demokratie, welche Form von Volksmitbestimmung kann sie gutheissen – und wie versteht sie ihren eigenen Informationsauftrag tatsächlich? Wieviel Bevormundung braucht der deutsche Bürger nach der Vorstellung seiner Journalisten?

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[1] Arroganz pur – WDR-Chefredakteur verhöhnt Kritiker, nennt GEZ eine Demokratie-Abgabe
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[2] Ein Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Gesellschaft