Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zeit für Messegespräche, und was sie sein können

∞  11 Februar 2009, 21:37

Es ist wieder mal Messetermin. Zeit, die Kollegen wieder zu sehen. Diese Truppe zusammen zu bringen, die übers Jahr in Europa verstreut ist und von der jeder nach bestem Wissen und Gewissen seinen Beitrag zu einem guten Ergebnis zu leisten versucht.
Aber die Zeiten ändern sich. Die Messe wird immer mehr zu einer Informationsquelle unter vielen, Verbindliches wird von Kunden kaum mehr vor Ort entschieden, und entsprechend schwer ist es für die Firmen, abschätzen zu können, ob sich der immense finanzielle Aufwand lohnt.
Sie behelfen sich mit Einschränkungen, die nach aussen nicht für jedermann ersichtlich sind. Längst ist die Mannschaft nicht mehr für die ganze Messe zusammen. Ein Teil reist erst am Sonntag an und ist am Dienstag gedanklich schon wieder zu Hause, der Kollege in der Türkei bleibt ebenso im heimischen Büro wie der Hauptpartner in Asien. Die Messe wird so vor allem für den Hauptverantwortlichen für den Export zum “Schlauch”, denn er hält von Anfang bis Ende die Stellung.

Und ich? Die Schweizer Kunden von Wichtigkeit sind an einer Hand abzuzählen. Und doch bin ich vom ersten bis zum letzten Tag da. Ich gönne mir einfach einen freien Tag dazwischen, am Wochenende, aber sonst? Man kann nie wissen, wo die wirklich wichtige und wegweisende Information aufgeschnappt wird. Es macht keinen Sinn, nach ihr zu jagen. Man pflegt einfach seine Kontakte. Bleibt nahe bei den Menschen. Das ist nicht einfach geschäftlicher Opportunismus. Es ist viel mehr. Es ist menschlicher Gewinn. So erinnere ich mich noch heute gerne an letztes Jahr. Da führte ich mein wichtigstes Gespräch mit einer Kollegin bei einem Lieferanten, mit der ich schon mehr als zehn Jahre zusammen arbeite. Und zwar sehr gern. Denn sie besitzt eine sehr tiefe und aufrichtige Freundlichkeit und strahlt diese nur schon am Telefon ganz ehrlich aus. Aber erst nach zehn Jahren, auf der Messe letztes Jahr, habe ich von ihren unmöglichen Arbeitsbedingungen erfahren – und ich konnte ihr Mut machen, sich zu wehren, und professionelle Hilfe zu suchen.
Nun, glücklich bei der Arbeit ist sie nicht wirklich geworden,denke ich. Aber sie kann sich nun besser abgrenzen. Ich will mich gerne im neuen Gespräch davon überzeugen.

Ja, ich freue mich auf die Messe. Ich freue mich, dass ich gerade in einer solchen Zeit erfahren und spüren kann, wie schön es ist, nicht jeden Tag auf die vermeintlich geeichte Waage der Produktivität legen zu müssen. Ich bin ganz bewusst einfach anwesend.
Wirklich anwesend. Und so sind mir viele Gesichter zu einer Art Familie geworden, ohne dass ich einen Moment vergessen würde, dass, bin ich mal zwei Jahre am Stück nicht da, ich genau so wenig mehr ein Thema bin wie viele andere. Und das zu wissen, ist genau so wichtig. Denn wir sind niemals unsere Arbeit noch unsere Stellung. Wir sind hoffentlich einfach Mensch und damit zufrieden und gehen unseren Weg. Dabei wird es kaum weniger wichtig werden, mit sich selbst auszukommen, auch in einem Raum, in dem niemand sonst anwesend ist (schon wieder dieses Wort…).