Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Zahlen - und ihre (oft) beschränkte Wahrheit

∞  30 März 2013, 14:40

Wir lassen lauter Wahrheiten aus zweiter Hand bestimmend für unser Leben sein, für unsere Sicht auf die Welt und unsere Entscheidungen. Wie probelmatisch das doch ist! Oder können Sie selbst für sich behaupten, dass Sie ohne jede Einschränkung objektiv sind, wenn Sie eine Begebenheit erzählen?

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Aladdin’s Lamp

Wir alle verkürzen, verallgemeinern, lassen weg oder betonen, wenn wir etwas wiedergeben. Auch ein Foto ist immer ein bewusst oder willkürlich gewählter Ausschnitt, längst, bevor wir es bearbeiten. Damit prangere ich kein Kalkül an, keine bewusste Desinformation – sondern stelle einfach fest: Wir teilen in allem, was wir weiter geben, immer auch uns selber mit. Und damit unsere Sicht auf die Dinge. Gut möglich, dass wir damit bei Adressaten die Augen für Aspekte öffnen, die ihnen entgangen wären – aber ganz sicher halten wir ihnen auch Eindrücke vor, erfahren sie von der Begebenheit durch unseren Filter, mit dem wir die Ereignisse unwillkürlich selektiert haben.

Wie schwierig es ist, einen Sachverhalt möglichst objektiv wiederzugeben, können Sie auch erahnen, wenn Sie nur schon versuchen, eine gültige Aussage über vorherrschende Meinungen zu einem Thema zu erarbeiten: Wenn Sie einen Fragekatalog zu einer politischen Einstellung über ein einziges Sachthema erstellen wollten und mit dem Ergebnis gültige einheitliche Aussagen über die Überlegungen hinter einer Grundhaltung gewinnen möchten, dann werden sie schnell feststellen, wie schwierig das ist. Denken sie dabei nur an ihr eigenes Gefühl, wenn Sie befragt werden, und das Angebot der möglichen Antworten förmlich danach schreit, dass Sie “ja, aber” sagen möchten. Und kennen Sie den Eindruck auch, der einen bei einem Fragebogen beschleichen kann, und der da die Frage entstehen lässt: Und morgen, würde ich da die genau gleichen Antworten geben? Zumindest bei den Punkten, bei denen mir die Frage nicht eindeutig genug formuliert scheint…

Dies also zum komplexen Problem, ihrer Meinung auf die Spur zu kommen. Es ist aber ganz offensichtlich auch nicht so einfach, Ihren Verhältnissen so auf die Spur zu kommen, dass sich darüber wirklich eine gültige Aussage machen lässt: Die aktuelle Debatte rund um die Vermögensverhältnisse der Deutschen im Vergleich zu Südeuropäern ist ein wunderbares Beispiel hierfür: Es ist mehr als komplex, alle Aspekte zu berücksichtigen, die unter dem Kriterium von “Kaufkraft” oder “Altersvorsorge” sich zu “Vermögen” summieren lassen. Seriös vollständig lässt sich eine solche Erhebung gar nicht machen, wenn am Ende eine allgemein gültige Aussage, eine abschliessende Wertung vorgenommen werden soll. Und dennoch wird genau dies getan. Und vor allem wird ein Ergebnis politisch gerne so verknappt, dass es instumentalisiert werden kann im Argumentarium einer Partei, einer Interessengemeinschaft.

Wie könnte es auch anders sein? Beweis dafür ist nur schon der Prozess, der zu solchen Erhebungen führt: Eine Interessengruppe, die eine Befragung in Auftrag gibt, wird wie eine Partei in einem juristischen Prozess, wenn sie ein Gutachten einholt, mit dem Auftrag schon ein Ergebnis verknüpfen und einige Indizien vorab “klären”, damit das Ergebnis auch verwertbar sein dürfte.
Und “unabhängige” Befragungen sind meist auch nicht frei von politischer Meinung – oder schlicht durch die vorhandenen Mittel in ihrer Gründlichkeit beschränkt.

Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, heisst es. Und dennoch erzielen Aussagen in den Medien, welche sich mit Statistiken untermauern, eine regelmässig hohe Beachtung; gerade so, als würden wir Prozentangaben einen Wahrheitsgehalt geradezu reflexartig zubilligen.

Wirklich wahr, wenigstens subjektiv, und damit für mich in meinem Leben anwendbar sind die Dinge, die ich in meinem Alltag feststelle – und die ich beeinflussen kann – ganz egal, ob das Ergebnis richtig oder falsch in statistische Zahlen einer grösseren Allgemeinheit eingehen mag: Meine Wahrheit ist mein Alltag und die eigene Erfahrung, die ich darin mache, die Beobachtungen an mir selbst, mit denen ich feststellen kann, was mir gut tut und was nicht. In einer sorgenden, positiv egoistischen Weise – und damit gehöre ich dann zu den wenigen oder vielen Prozent Menschen, die scheinbar glücklich sind. Oder zufrieden. Und glücklich, weil sie für dieses Gefühl nur einen allgemein stabilen Zustand einer relativen Zufriedenheit brauchen. Wer bitte, wollte das in einer Statistik ausdrücken?