Wunderbares Fussballtheater
Grosses Fussballtheater an der Stamford Bridge, Fulham Road in London. Englisches Wetter. Es giesst in Strömen. Das Spiel ist höchstens durchschnittlich. Der Einsatz aber maximal. Die Spannung auch. Es ist im bis auf den letzten Platz gefüllten Stadion keine Sekunde still. Ein ständiges Geraune, Schlachtgesänge, ein Auf und Ab der wogenden Emotionen.
Die Champions League, finanzielles Kalkül der Industrie Fussball, Konglomerat der Besten, ist in diesem Moment nur die Faszination des einmaligen Wettbewerbs, die Kür der Triumphatoren. 120 Minuten lang versuchen die Spieler, der Physik zu trotzen. Dass eine englische Mannschaft nicht aufs Tempo drückt, scheint fast nicht möglich. Die Präzision leidet, die Raumaufteilung stimmt auf beiden Seiten nicht. Doch die Taktik gerinnt je länger je mehr zur blossen Erinnerung, ist eine schöne Absicht, die irgendwie in der Kabine geblieben ist. Hier draussen, vor über 40’000 Augenpaaren vor Ort und einigen hundert Millionen Zuschauern am Bildschirm zählt je länger je mehr nur noch der Wille.
Es ist eine einzig grosse Kultivierung des Zweikampfs. Die Spieler schenken sich nichts. Doch es gibt keine einzige Unterbrechung wegen Spielverzögerung. Nie bleibt ein Spieler liegen. Selbst nach Fouls geben sich die Spieler die Hand, sie stehen auf, spielen weiter. Es sind vielleicht 10’000 Arbeitslose im Stadion. Doch die Stimmung bleibt in aller elektrisierenden Emotionalität friedlich. Es ist nur Fussball, aber bei Gott, Fussball ist alles.
Man muss Fussball nicht mögen. Man muss Fussball nicht verstehen. Aber keiner kann es mir ausreden: Fussball, zumindest in England, ist ein Stück Kultur. Und zwar von jener Art, die hautnah miterlebt werden kann, und bei der die Zuschauer Teil der Inszenierung sind. Viel natürlicher, direkter und glaubwürdiger als in jeder abgeschmackten künstlichen Theaterinszenierung.
Die Szene, in der Du gar nicht neutral bleiben, in der Du Partei werden musst. Ohne dass es am Ende zum Schaden eines Siegers oder Verlierers kommen muss. Nicht immer gelingt das. Aber die vielen Male, in denen das Wunder geschieht, wiegen die Vorfälle negativer Art, die es in England nur sehr selten gibt im Clubfussball, mehr als auf.
Das nächste Spiel kommt bestimmt. Auf Wiedersehen, bis nächsten Sammstag. Dann feiern wir wieder Fussball.
[Bildquelle: Originalgrösse bei geocities.com/uisf ]
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