Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Würdigung: Ein Lehrer für alle

∞  26 Juli 2011, 21:01

Mein Primarlehrer ist in hohem Alter gestorben. Eine Erinnerung, die durchaus eine Ehrung sein soll. Ein leises Dankeschön an meinen Fährtenlenker, der gerade diesen Lehrer für mich vorsah.


Ein besonderes Glück für meine Kindheit dürften meine Lehrer gewesen sein. Bis auf den alten Herrn, dessen Verzweiflung über mein absolut talentfreies Blockflötenspiel in der dritten Klasse noch grösser war als meine eigene, hatte ich die ganze Grundschule hindurch ausgezeichnete Pädagogen als Lehrer. Nun habe ich vernommen, dass mein Primarleher in der Mittelstufe (4. – 6. Klasse) in hohem Alter verstorben ist. Es gibt also keinen Grund, bestürzt zu sein, denn sein Leben war lang und erfüllt. Aber Veranlassung, ganz bewusst an ihn zurück zu denken, verspüre ich sehr wohl.

Wie ich in der Todesanzeige lese, war er 37 Jahre lang an der Schule tätig, und ich bin ziemlich sicher, dass es wenige Pädagogen gibt, von denen so viele Schüler sagen, dass er ihnen ein guter Lehrer war.

Ich hatte andere, die ich unheimlich gut mochte – und die mir selbst auch Sympathie entgegen brachten. Bei meinem Primarlehrer war das um diese eine Nuance anders:

Auch er war mir sympathisch, und ich in dieser Zeit ein guter Schüler. Unser Verhältnis war also unproblematisch. Aber es gab da eine Art Distanz, die nie zurückweisend war. Sie bestand darin, dass wir alle immer wussten: Unser Lehrer ist zu allen der Gleiche. Ich habe nie mehr danach einen Menschen – und eine Führungsperson – getroffen, welche jedem Einzelnen in seinem Umfeld so augenscheinlich die gleiche Aufmerksamkeit, frei von persönlicher Sympathie und erst recht von irgendwelchen Ressentiments, entgegen brachte.

Unser Lehrer war wirklich und jederzeit für alle da. Sein Urteil konnte genau und auch mal tadelnd sein, aber jeder, der Tadel war sich sicher, auch beim Lob nicht vergessen zu gehen. Dieser schlanke, grosse Mann mit den feinen Gesichtszügen unter einer immer gebräunten Haut war eine Persönlichkeit, ohne dass er seine Autorität je hätte beweisen müssen.

Ich habe bei ihm gelernt. Für mich. In der Phase in der Schule, in der man damals lernte, dass es in der Welt auch in Ausbildungsfragen einen Konkurrenzkampf gibt, habe ich ohne jeden martialischen Nachdruck ganz natürlich das gemacht, was nötig war. Ich wurde vom Buben zum Jungen, biologisch natürlich sowieso, aber auch pädagogisch begleitet.

Ich kann mich an die schulische Atmosphäre in diesen drei Jahren gar besser erinnern als an die folgende Sekundarschule.

Ich danke Ihnen. Sie waren wirklich ein Lehrer für mich, für uns alle. Und genau darin lag ihre grösste Kunst. Diese schlichte Bezeichnung: Primarlehrer. Sie vekörpern meine primären ersten Erfahrungen eines konzentrierten Lernens, und im Grunde haben Sie in mir auch die Neugier für schulische Dinge geweckt.
Und vor allem haben Sie mir den Respekt demonstriert, den man nicht einfordert, sondern vorlebt. Es ist mir gerade dies zum dauerhaften Rüstzeug geworden. Garantiert rostfrei in allen Lebenslagen.

Danke, dass Sie mein Lehrer waren.