Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wir und die Deutschen - Nachbarn? Was für welche?

∞  22 April 2009, 19:01

So langsam habe ich es satt. Es ist zwar eine alte Kamelle, weil von Anfang April, aber ich lese mich eben noch durch meine Ferienabsenz. Und da stosse ich auf Christoph Mörgelis Kolumne in der Weltwoche, Ausgabe 14/09 vom 2. April.
Und für einmal kommt mir nicht wegen ihm die Galle hoch, sondern wegen dem, was er zitiert:
Es ist die Kolumne von Franz Josef Wagner in der Bildzeitung, in der er sich über “das schmutzige Geld auf Schweizer Nummerkonten” auslässt. Und:
“Für die Schweiz stinkt Geld nicht. In den Tresoren der Schweiz wurde das Geld der Holocaust-Ermordeten gefunden.”

Was für eine Steilvorlage für einen rhetorischen und reaktionären Scharfschützen wie unseren Historiker und Nationalrat Mörgeli. Und er gibt denn auch, quasi an Stelle der hiesigen Boulevard-Presse, deren Verbal-Kahlschlag als Antwort er schmerzlich vermisst, an deren Stelle zurück:

Dieses jüdische Geld wurde zuvor von Menschen in Sicherheit gebracht, denen man die Geschäfte, die Häuser, ihre Wohnungen weg nahm, bevor man sie ganz umbrachte. Und der Schweiz, die nach Wagner eine Geldhure sei, stellt er das Zitat von Paul Celan von 1945 entgegen, wonach der Tod ein Meister aus Deutschland sei, der eben sechs Millionen Juden gezeigt habe, wer der deutsche Meister sei.

Wir haben es nie besonders weit gebracht in unseren nachbarschaftlichen Beziehungen, finde ich. Wir Schweizer waren immer diejenigen, die sich angesichts deutschen Auftretens eher verkrochen, statt einbrachten. Und die Schweiz ist in bestem Fall für Deutschland niedlich geworden, ein kauziger Sonderfall, eine Spielzeugidylle für den Urlaub, ein Land, das nicht stattfand und in jedem deutschen Krimi mit den gleichen Klischees versehen vorkam, wenn mal überhaupt.

Es wird mir in Zukunft nicht leichter fallen, in meiner Umgebung gegen Vorurteile gegen Deutsche anzureden. Auch, weil ich mich persönlich über das Bild masslos ärgere, das nun zementiert wird. Und es tut mir unheimlich Leid, weil ich angesichts meines Austausches mit meinen deutschen Freunden sehe, wie viel wir uns zu geben hätten und wie reich unser Zusammensein und -treffen werden könnte.

Unheimlich bemühend ist es, Grenzen auf dem Weg zu erfahren, wie sie momentan zwischen der Schweiz und Deutschland wieder entstehen.