Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wie aussagefähig sind Verbrauchertests? Ein Beispiel.

∞  3 Juli 2012, 14:03

Update 15h56

Die gestern als Beispiel für den Kampf um margenträchtige Markenprodukte angefügten Nespresso-Kapseln müssen heute nochmals als aussagekräftiges Beispiel für ein Phänomen herhalten, nach dem wir Konsumenten unser Verhalten wohl immer häufiger ausrichten: Dem so genannten Konsumententest.

istockphoto.com/koun

Das Konsumentenmagazin K-Tipp des Schweizer Fernsehens hat es genau wissen wollen, wie es beteuert, und im Schweizer Einkaufszentrum Glatt einen Stand zur Espresso-Degustation aufgebaut, an dem Konsumenten die Qualität des Kaffees aus Kapselautomaten benoten konnten (Schulnotensystem 6-1).

Sieben Stunden bestand das Angebot – und ganze 130 Leute konnten von der auf solche Tests spezialisierten Firma Sensoplus in der Zeit zum Test animiert werden.

Im Vergleich von vier Anbietern resultierten Noten von 4.1, 4.4, 4.8 und 4.9. In der vorderen Gruppe Nespresso, hinter der Migros-Variante. Am Schluss steht dann der zusammenfassende Satz des Moderators:

In unserer Degustation ist der Migros-Kapsel-Kaffee besser angekommen als Nespresso.

Wie zufällig ist ein Resultat von einem Zehntelpunkt bei 130 Testpersonen? Wie aussagekräftig sind solche Tests überhaupt angesichts der doch eher bescheidenen Anzahl befragter Personen?

Sind Sie selbst nicht auch eher erstaunt, dass es in sieben Stunden nur zu Tests mit 130 Personen gereicht hat?

So erstaunlich ist das unter dem Strich aber gar nicht: Denken Sie an sich selbst! Wären Sie bereit, sich auf Ihrer Einkaufs-Tour für den Genuss von vier Espressi und die Bewertung auf einem Fragebogen aufhalten zu lassen, sagen wir, auch nur für fünfzehn Minuten? Andererseits handelt es sich hier um ein aktuelles Thema und ein weit verbreitetes Genussmittel, da müsste man doch meinen, die Gelegenheit, den neuen Möglichkeiten auf dem Markt gleich selbst auf den Grund zu gehen, wäre attraktiv?

Das illustriert, wie aufwendig ausführliche, wirklich repräsentative Tests für Produkte sind und wie doch relativ zufällig ein Ergebnis ausfallen kann. Haften aber bleibt am Schluss nur die Schlagzeile: Das Produkt X wird favorisiert und schneidet besser ab. Punkt.

Ob das so “stimmt” auf Grund dieses Ergebnisses? Beurteilen Sie es selbst. Bei unzähligen Headlines, die wir zu Produkten oder anderen Umfragen aufnehmen, wären wohl änliche Vorbehalte zu machen. Aber Vieles, sehr Vieles, kämmen wir in unserer Wahnehmung nicht richtig durch: Aber die Schlagzeilen nehmen wir auf und der suggerierte Inhalt gilt als “gehört”, setzt sich fest, wird als “wahr” gespeichert – wohl viel stärker, als wir uns das bewusst sind.

In jedem Fall: Wäre es nicht seriöser, das Ergebnis etwas defensiver zu formulieren? So könnte man feststellen, dass nicht alle Nachfolgeprodukte als ähnlich gut beurteilt werden, die Migros-Kapsel aber in diesem Test sogar knapp besser angenommen wird wie das Markenprodukt und sich auf jeden Fall auf Augenhöhe bewegt. Das ist nicht eine wesentlich andere Aussage, aber sie lässt ein wenig mehr Spielraum und kann als verifiziert gelten. Aber es tönt dann etwas weniger spektakulär. Nur etwas. Aber das ist entscheidend. Auch für den Redakteur.

:::

Der Kapseltest: Nespresso unter Druck