Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Wenn der Urheber wirklich der Eigner ist

∞  27 Februar 2010, 15:42

Nochmals ein Versuch, nicht zuletzt auch in meinen eigenen Frust zu dringen und Klarheit darüber zu gewinnen, WAS mich wirklich so erdrückt an der Hegemann-Debatte.

Eigentlich geht es nicht um die Schreiberin und deren Verhalten. Was den Umgang, den Austausch und die Weiterentwicklung in neue kreative Werke betrifft, so wünschte ich mir, alle Schreibenden dieser Welt würden sich mehr im Bewusstsein begegnen, dass wir alle Leser und Schreibende sind, Empfänger und Geber. Also dürfen wir nehmen und darf auch von uns genommen werden – so lange es der Versuch ist, unsere Formeln des Erfahrenen und Aufgenommenen nicht nur zu übernehmen (und damit Geld zu machen), sondern zu verarbeiten, weiter zu denken, neu zu gestalten (und damit hoffentlich Geld zu verdienen, damit man sich immer mehr Zeit leisten kann, das Leben denkend und gestaltend weiter zu leben). Ich wünschte mir eine andere Grundhaltung, welche unter Künstlern vielleicht nur eine Nuance ist. Aber die wichtigen Dinge sind sehr oft die Schattierungen fern der grellen Spots:
Werden Textpassagen Wort für Wort übernommen, in Hegemanns Roman sind es mehr als 20 Textblöcke von ein und demselben Blogger-Roman, so können diese noch so sehr eingebettet sein: Jedem ist doch klar, dass sie tragendes Element des ganzen Erzählflusses und der Stimmung des Werks sind. Und damit erübrigt sich die Frage, ob eine Quellenangabe notwendig gewesen wäre oder nicht. Es wäre sogar noch mehr angebracht: Nämlich die Einholung des Einverständnisses des Urhebers, zumal wenn man sich vergegenwärtigt, wie dessen Texte entstanden sind: Sie sind nämlich ursprünglich als Tagebuch entstanden, ohne jede Absicht, daraus ein Buch zu machen. Eine Selbstreflexion, ein Logbuch und Zustandsbericht einer eigenen Befindlichkeit nach einem Stück Leben oder der Flucht daraus, Dienstags, wenn die Klarheit oder das Grau der Normalität einen durchgeatmeten Blick zurück in die Raserei erlaubte, ganz egal, ob die Frage zu beantworten war: Was ist nun Leben, was Droge? Ursprünglich als völlig anonymer Bericht angelegt, im Prinzip als solcher aufrecht erhalten, als doch ein Buch daraus wurde, in einem kleinen alternativen Verlag.

Jetzt würde dieser Blogger ja doch profitieren, heisst es, die Aufmerksamkeit, die er erhält, wird sich ja wohl auszahlen. Sie kostet aber auch, ungefragt und anmassend vereinnamend. Genau dies ist der Punkt: Ullstein illustriert in der ganzen Geschichte ein Stück Ausbeutung der Kulturszene. Mit dem ganzen Hype sind Airens Texte definitiv geraubt, entfremdet, entleibt, und was ihm bleibt, ist eine Form der Abspaltung, die zwar jeder Autor erlebt, wenn er erfährt, WIE seine Texte miss-verstanden werden können. Das aber in fremden Buchdeckeln zu finden, debattiert zu werden im fremden Haus, personifiziert durch eine Leserin, die Abschreiberin ist, nicht etwa eine Mitgängerin im eigenen Leben, nein, eine Fremde, die, Ich-Form suggerierend, fremde Gedanken sich für sich selbst sich prositituieren lässt.

Und der Verlag macht daraus das Abbild des neuen Kulturverständnisses.
Ja, wir Blogger haben vieles daran selbst verursacht durch die Debatten, die das freie Schreiben im Internet ausgelöst hat. Und es mag auch sein, dass wir unsere Texte durch die öffentliche Darstellung im Netz verschenken. Aber das Grundverständnis, dass wir erwarten dürfen, dass unsere Texte deklariert werden, dass der Urheber dieser unserer Version einer an sich universellen Gedankenwelt diesen unseren Versuch auch entsprechend bezeichnet, DAS ist doch keine Frage. Nicht wirklich. Und dass dies nicht gesehen wird, dass Kritiker wie Kulturschaffende sich nicht explizit gegen die wirtschaftliche Machenschaft stellen, die dadurch zutage tritt – das macht mich richtig fertig.

Ich weiss, es mag naiv sein. Aber es ist tatsächlich ein Schock für mich.