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Wann hätten Sie das letzte Mal besser mehr Schiss gehabt?

∞  10 Dezember 2009, 18:32

DRS 1 hat sich in der Sendung Rendez-vous mit der Ausschaffungsinitiative beschäftigt und dabei auf den Umstand hingewiesen, dass es absolut stossend sein könnte, einen Ausländer, der als Flüchtling in der Schweiz lebe, auf Grund eines Verstosses gegen den Strafenkatalog in ein Land auszuweisen, in dem ihm Folter drohe.
Der Argauer SVP-ständerat Maximilian Reimann habe darauf geantwortet, das wäre überhaupt kein Problem, denn “Flüchtlinge würden sich an die Gesetze halten”.
Was er sagen will: “ECHTE Flüchtlinge haben genügend Angst vor Ausschaffung”. So einer greift nicht heimlich ins Regal im Supermarkt, der hat genügend Schiss. Im Gegensatz zum Wirtschaftsdelinquenten mit Millionbetrugssumme. Dem droht die Ausschaffung nicht. Wahrscheinlich ist das Realpolitik, da sich so einer sowieso einen Freiweg kaufen kann, oder was?
Wollen wir wirklich so argumentieren wie es Reimann hier sich erlaubt? Das ist die schlimmste Form von Populismus auf Kosten jener, in die wir uns überhaupt nicht mehr hinein versetzen können, weil wir selbst keine Werte mehr vertreten – ausser einer Heimat, in der wir Mechanismen einführen, die, weiter angewandt, auch mal folgendes bedeuten könnten:
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen über den Durst getrunken und werden bei einer Alkoholkontrolle am Steuer erwischt. Es droht Führerausweisentzug für einen Monat.
Sie haben in der auf die Verhandlung folgenden Woche einen ganz dringenden geschäftlichen Termin, für den Sie auf das Auto angewiesen sind. Ihren Antrag, den Führerausweisentzug erst danach wirksam werden zu lassen, beantwortet der Richter so:
Wenn dieser geschäftliche Termin so wichtig gewesen wäre, hätten Sie in den Wochen zuvor nichts riskiert und im Ausgang keinen Alkohol getrunken.
Und das ist dann noch ein harmloses Beispiel, bei dem es nicht um Leben und Tod geht. Der Termin ist aber wichtig für sie, und der Richter kann noch so im Grundsatz Recht haben, verhältnismässig werden sie das nicht finden. Wollen Sie in Kauf nehmen, dass der Ausländer neben Ihnen wegen einer ähnlichen Erfahrung nicht seine Fahrerlaubnis abgibt, sondern unter Umständen sein Leben?
Wir sollten uns von einer Politik lösen, die uns Schweizern eine Hemdsärmelromantik schmackhaft machen will, die einfach nur noch peinlich ist. Und dies von einer Partei, die mit den Linken zusammen ganz laut gegen die Boni für Banker angeschrien hat und sich für die einfachen Bürger stark macht – hier nun auf Kosten jener Ausländer bei uns, die wirklich Fürsprache brauchen: Entwurzelte Menschen. Ob Flüchtlinge oder nicht. Das schliesst Strafe nicht aus. Aber hier würde mit Kanonen nicht auf Spatzen geschossen, sondern auf Menschen. Und Kolateralschäden in Form von Menschenleben werden in Kauf genommen, während man sich keinen Deut um Ausgewogenheit kümmert, schon gar nicht gegenüber den Menschen, auf die das Gesetz Anwendung fände. Die grossen Dicken, siehe oben, liesse man laufen.


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Link: DRS 1 – Ständerat sucht Rezepte gegen SVP-Ausschaffungsinitiative