Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Von der Schulter, der kalten

∞  30 August 2011, 23:01

Mit einander umgehen, Umgang pflegen, umgänglich sein – auch in Äusserlichkeiten. Eine Unachtsamkeit muss dabei nie eine tiefer liegende Botschaft sein. Es heisst einfach, dass man mit sich selbst beschäftigt ist und nicht so auf andere achten mag. Im Moment. Denn was die Menschen aus möglichen Begegnungen machen, das entscheiden sie selbst. Mal für Mal. Stehen und sitzen wir mehr Schulter an Schulter, statt einander abgekehrt.


Als ich nach dem Duschen als Letzter aus dem Clubhaus komme, sitzt mein Doppelpartner, der heute erstmals im Training dabei war, verloren allein an der Ecke eines Tisches. Rechts daneben scharen sich einige meiner weiteren Trainingskollegen um alte Bekannte, die nach vielen Jahren endlich mal wieder für ein Abendessen in den Club gefunden haben – und links essen vier andere schon zu Abend, die etwas früher mit Spielen fertig waren. Unser einer Doppelkollege steht am Geländer und beteiligt sich am Gespräch mit den alten Bekannten. Ich bin ziemlich perplex. Wenn jemand neu zu einer Gruppe stösst, ist das eine ziemlich ungemütliche Situation, die einem scheinbar deutlich machen will, dass man nicht dazu gehört – und darum sitzt man dann eben verloren an der Ecke eines Tisches, und es würde dazu passen, wenn der Tisch nun noch wackeln und das Bier verschüttet würde.

Dabei ist die Situation so überhaupt nicht typisch für diesen Club, in dem man sich neuen Mitgliedern gegenüber sehr offen zeigt. Natürlich setze ich mich zu meinem Kollegen, aber ich ärgere mich über die Schultern, die mir links und rechts gezeigt werden. Und noch mehr ärgere ich mich über mich selbst, denn ich weiss schon jetzt, dass ich heute für meine Verhältnisse nicht sehr gesprächig bin. Passt ja alles wunderbar für den neuen Kollegen, herzlichen Glückwunsch…

Dazu kommt wie die Faust aufs Auge, dass unsere Nummer Vier aus dem Doppel offensichtlich schon nach Hause gegangen ist und sich nur pauschal verabschiedet hat – vor allem nicht persönlich von seinem Doppelpartner, der noch extra bei uns einsprang. Das ist wirklich alles unpassend – und überhaupt nicht unser aller Art. Irgendwie werden einfach alle auf dem falschen Fuss erwischt – und schlussendlich löst sich das auch schnell doch noch im Frieden auf:

Ein paar Blickkontakte mit einer Seele mit stets wachen Sensoren reichen, und alsbald werden Stühle gerückt und Tische aneinander geschoben. Alle haben ihre Gespräche weiterhin, aber nun bilden wir eine erweiterte Gruppe – und die Rücken aller Beteiligten weisen nach aussen – und nicht gegen einander. Dann steht auch noch ein Netbook auf dem Tisch mit Bildern von der Clubmeisterschaft, und nun sind alle beschäftigt. Was mich wieder mal daran denken lässt, wie ein Bildschirm – namentlich in der Gestalt eines Fernsehers – so manche Konflikte in Familien zwischen seinen Pixeln verschluckt, bis…

Aber das haben wir hier ja eben gerade nicht, und darum ist das eben erzählte Ende der Anfang eines doch gelungenen Abends – und ich kann derweil beruhigt nach Hause gehen (selbst besänftigt) und mich um meine privaten Pendenzen kümmern – wie eben zum Beispiel das Schreiben dieses Textes.

Es macht mich nachdenklich, zu sehen, wie wenig es brauchen kann, dass man sich auf Anhieb in einer Gruppe wohlfühlen kann – oder eben nicht:

Zumal es viele Menschen gibt, die schnell bereit sind, vor sich und für sich, also gegen sich zu entscheiden – und daher zu befinden, dass sie *offensichtlich” nicht willkommen sind. Dabei kann dass “Offensichtliche “ wirklich nur die Verkettung dummer Umstände sein.

Ich habe das Gegenteil erlebt vor drei Jahren: Eine ganze Reihe von schönen Begegnungen, eine glückliche offene Konstellation, und also einen Eintritt in die Gruppe mit vielen zufälligen offenen Zeichen – bei den gleichen Menschen unter ähnlichen Voraussetzungen. Ich kann also Allen raten:

Den Alteingesessenen, von “einem Neuen” ruhig überrascht werden zu wollen – und “den Neuen”, den Menschen ein wenig Zeit zu geben, zu erkennen, woran man doch selbst glauben kann und will: Dass man selbst etwas beizutragen hat. Manchmal hindert uns falscher Stolz daran, zu erkennen, dass ein Verlauf eines Abends keine persönliche Botschaft enthält, sondern schlicht keine gute eigene Chemie entwickeln konnte. Manchmal will Kollege X am liebsten gar nichts reden, und wenn schon, dann mit seiner Frau zuhause, oder dem Hund, oder nur gerade mit dem einen Freund neben ihm. Manchmal ist man einfach nur müde im Kopf nach einem so lebendigen Wochenende, wie ich. Manchmal muss man einfach ein paar Mal die Hand reichen zum Gespräch, und dann sitzt man plötzlich Schulter an Schulter. Mitten am Tisch. Und das kann sich für alle lohnen.