Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Vom Bewusstsein in der Meditation

∞  24 Juni 2007, 13:58

Warum wünschen sich Menschen „mehr Spiritualität“? Was ist das überhaupt? Eine persönliche Frage, die eine ebensolche, individuelle Antwort verlangt.

Aus dem Moment heraus antworte ich: Ein spirituelles Leben ist ein von einem Frieden erfülltes Leben, der nicht mehr kommt und geht, sondern in mir ruht, auch wenn sich die negativen Kräfte um mich regen, wenn Eifersucht, Furcht, Zweifel, Sorgen, Ärger und Gier sich zeigen und mich beissen wollen. Und aus diesem Frieden heraus ist mir die Frage nach meinem Warum nicht länger eine Qual, weil es nicht allein die Vernunft ist, die fragt und die Antworten nicht findet.
Ins Zentrum setze ich vielmehr den Hunger meiner Seele nach Licht, Wärme, Geborgenheit, Erleuchtung: Das eigentliche spirituelle Bedürfnis.

Dieser Hunger ist auch keine Flucht, oder eine Illusion. Er wird nicht wirklich durch die Erfüllung von materiellen Wünschen gestillt, ja noch nicht einmal durch intakte soziale Netze. Kein Wunschleben ersetzt spirituelle Erfahrung. Diese Erfahrung aber zu wollen, setzt ein spirituelles Streben in Gang, in dem wir „nur Gott wollen“.

Gehört dazu die Erlangung bestimmter Eigenschaften, so muss ich dennoch nicht verzweifeln, wenn ich sie (noch) nicht erlange: Das Streben selbst ist Erfüllung und gibt uns Zufriedenheit. Nicht unsere Leistung. Unser Bemühen erfüllt sich zu seiner Zeit, nach Gottes Ratschluss.

Soweit die Zusammenfassung der ersten Seiten von Sri Chinmoys Buch über die Meditation, die er mit dem Satz beginnt:

Meditation sagt uns nur eines:
Gott ist.
Meditation enthüllt uns nur eine Wahrheit:
Die Vision Gottes gehört uns.


Buddhistische Lehren sind im Westen sehr attraktiv. Der Ansatz, dem Leistungsdenken mit dem steten Weg, auf dem man in seinem eigenen Rhythmus wandeln soll, ein Programm der Einkehr und Entschleunigung entgegen zu setzen, ist attraktiv und wird gerne in „Workshops“, Seminaren etc. verwurstet, sprich vermarktet.

Lasst uns einkehren und eintauchen in die Oase der Entspannung – als ginge man mal eben in die Fussreflexzonenmassage oder ins Ayurveda-Wochenende. Wir denken und fühlen eben nicht zu Ende. Im Grunde hören wir nur das Versprechen gelockerter Verbindlichkeit, und haben keine Ahnung, dass zu diesem Loslassen, zum Verzicht unserer Identifikation durch Leistung eine sehr wohl sehr existenzielle Frage nach unserem Sein gehört.

Wer bin ich jenseits meiner beruflichen und familiären Ziele? Wie bin ich gemeint? Wer stellt mir überhaupt diese Fragen? Traue ich mir zu, eine Realität zu erkennen, die Gott mit einschliesst? Lasse ich mich davon persönlich ansprechen?

Ich kann mich am Morgen hundert Mal hinsetzen und versuchen, meine Gedanken zur Meditation oder zum Gebet zu beruhigen. Wenn ich obige Fragen nicht mit zulasse, wenn sie für mich nicht zumindest offen und existenziell sind, werde ich die Praxis nicht beibehalten.

Wenn Gott aber ist oder ich mir seine Existenz nicht ausreden kann, ist es “jedes Mal, wenn ich mich setze”, möglich, dass Gott sich zeigt und dieser Frieden in mir wächst.


Bild: (c) Caro Nadler “Meditation”

Dieses Blog wird nicht zu einem Esoterik-Seminar werden noch ich als sein Betreiber zum Meditationslehrer. Tatsache ist vielmehr, dass ich selbst die regelmässige Praxis der Meditation kaum anwenden kann – zumindest nicht in der gemeinhin darunter vorgestellten Form. Sehr wohl allerdings ist es meine Erfahrung, dass die Hinwendung zu einem inneren Streben nach Gottnähe in allen Menschen wohnt – und ich sehe das in jedem menschlichen Erleben gegeben und geniesse eine Ahnung davon in allen möglichen sehr menschlichen Erlebnissen. Und davon schreibe ich eigentlich immer. Mit mehr oder weniger Bewusstsein.