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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Schweizer Fernsehen machte Politik

∞  13 Januar 2008, 21:34

Die Schweizer Bundesratswahlen 2007 waren historisch, aber eben, sic, sie sind Geschichte. Trotzdem greife ich hier ein Ereignis auf, das im Zusammenhang dieser Wahl stattfand und zu Diskussionen führte.

Kurz nach der Wahl wurde von verschiedener Seite, nicht aber von der SVP, sehr wohl aber vor allem von Journalisten gemutmasst, ob nicht ein Dokumentarfilm des Schweizer Fernsehens im Vorfeld der Wahl über den Bruder des Bundesrates, den Ex-Pfarrer und Gemeindepräsidenten Gerhard Blocher, mit dazu beigetragen habe, Blocher zu stürzen (der Bruder präsentiert sich in dieser Dokumentation sehr unvorteilhaft, um es gelinde auszudrücken, als öffentlichkeitsverliebter Unflat, der z.B. den Präsidenten der SP in einer Weise beschimpft, die einem mit offenem Mund vor dem Fernsehschirm sitzen lässt).

Heute bin ich nun auf das Chefredaktions-Blog des Schweizer Fernsehens gestossen, in dem Ueli Haldimann persönlich dazu einlädt, darüber zu diskutieren, ob SF1 Recht daran tat, diese Dokumentation „unentschärft“ und überhaupt zu senden.
Wörtlich schreibt er:


Schon vor vier Jahren hat Reporter den früheren Pfarrer von Hallau am Tag der Wahl seines Bruders zum Bundesrat nach Bern begleitet. Da lag es nahe, vier Jahre später die Geschichte fortzuschreiben.

Verweise: Blogbeitrag und Link zur Dok

In dieser neuen Dokumentation sind denn auch Szenen aus der ersten zu sehen, in denen man Gerhard Blocher am Tag der Wahl seines Bruders im Bundeshaus sieht. Es ist also, wie aus dem oben zitierten Satz zu schliessen, dass die damalige Dokumentation NACH der Bundesratswahl ausgestrahlt wurde.
Dieses Mal aber erfolgte die Ausstrahlung VOR der Bestätigungswahl des Bundesrates – und damit wurde nicht reportiert, sondern aktiv in die Politik eingegriffen – und eben gerade nicht die Geschichte in gleicher Absicht fortgeschrieben.
Die Erklärung Haldimanns ist scheinheilig, und man kann im Gegenteil die journalistische Lust richtig spüren, hier eine Wunde im Bollwerk Blocher nicht nur gefunden zu haben, sondern auch noch darin bohren zu können. Dass Gerhard Blocher mit seiner Lust an Selbstproduktion förmlich dazu einlädt, entbindet SF1 nicht von der Grundsatzfrage, ob die Ausstrahlung der Dok nicht einem politischen Lenkungsversuch gleich kam, zumal der Autor der Dok dafür bekannt ist und dies mit seinen Fragen auch dokumentiert, dass er politsch sich eindeutig sehr links, also absolut konträr zur Blocherlinie orientiert.
Hier wurde also – durch Fragestellung, Schnitt (am Schluss) und Timing nicht dokumentiert, sondern politisiert. Die Erklärung (oben) von Haldimann ist in diesem Zusammenhang ist sehr armselig, ja ich finde sie scheinheilig.

Noch eine Bemerkung:
Erstaunt bin ich bis heute, dass es der SVP ganz offensichtlich nicht gelingt, sich von zwiespältigen und zweifelhaften Personen in ihrem Umfeld klarer abzugrenzen, ja dass ein Bewusstsein für die Wirkung solcher Personen und eines bestimmten Politstils im Allgemeinen von grossen Teilen des Volkes und von allfälligen Bündnispartnern in der Politik nicht goutiert wird. Die Quittung hierfür wurde bekanntlich ausgestellt.
Und noch mehr erstaunt mich, dass es in Blochers Partei keine wachen Sensoren für die Gefahr gab, die aus einer solchen Dok entstehen könnte, sonst hätte man Bruder Blocher aus der Schusslinie genommen. Keiner muss mir erzählen, dass dies nicht gelungen wäre, wenn man es denn gewollt hätte.

Ich bin übrigens Christoph Blocher und der ganzen SVP gegenüber sehr kritisch eingestellt – aber kritisiere gleichwohl das Verhalten des Schweizer Fernsehens in dieser Angelegenheit: Das von öffentlichen Gebührengeldern getragene Fernsehen hat keine gleichwertige Konkurrenz und sich daher um Ausgewogenheit zu bemühen. Dies ist hier krass missachtet worden.