Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Reden können? Zuhören üben.

∞  9 August 2012, 15:58

Immer wieder, wenn ich von einer Beziehung in Schwierigkeiten höre, wird mir neu bewusst, wie schwer es sein muss, nach einer Lösung zu suchen, wenn die Menschen nicht miteinander reden können. Sich generell mit dem Reden schwer tun, kann dann ein grosses Problem werden. Ich frage mich oft, wie gross das Ungleichgewicht in dieser Situation wird, wenn der eine Partner sehr viel “kommunikativer” sein kann als der andere?

Umgekehrt kann es dem eloquentesten Erdenbürger unheimlich schwer fallen, über sich selbst zu reden, und er gebraucht sein Talent in erster Linie dazu, von sich abzulenken, um “den Brei herum zu reden”.

Verletzte Seelen sind auch nicht unbedingt glücklich darüber, wenn man ihnen vorformulieren kann, wie sie sich wohl fühlen mögen – auch das weiss er noch besser als ich, mag man dann denken.

Ich erschlage Menschen manchmal wohl fast mit meiner Wortwahl. Hört man sich eine Geschiche an, ein Gedankengefüge “auf einem neutralen Feld”, so mag das ganz angenehm sein und das Mitdenken gelingt vielleicht tatsächlich besser. Aber mag man deswegen irgendwo auf der Welt einem “Redner” die Kompetenz zusprechen, ausgerechnet mich in meiner momentanen Not zu verstehen, wenn dieser selbst nach meinem Dafürhalten Grund dieser Not ist? Nein.

Darum ist die eigentliche Kunst nicht das Reden. Sondern das Zuhören. Und erfolgreich ist eine Therapie auch nicht bei jenem, der in dieser eine ganze Reihe von wohl temperierten Aussagen zu fabrizieren versteht. Segenreiches Reden beginnt mit Zuhören. Vielleicht ist es das Einzige was zählt. Das plötzlich auch mal schweigen können, das Problem stehen lassen mögen, es aushalten, zusammen drauf blicken, ein gemeinsames Wort dafür finden – und einen Weg heraus.

Reden können als Fluch und Segen – ohne das Gegenüber, das Verstehen will, immer noch oder wieder neu – sind wir alle in jeder Beziehung verloren.


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