Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Präsenz in der eigenen kleinen Welt

∞  21 Dezember 2012, 16:52


istockphoto.com/peepo: mini business men




Ich stelle mir gerade vor, ich wüsste nichts von Libor-Skandal, Finanzkrise, Frankenstärke, Steuerdelikten, Krieg in Mali, Afghanistan, den Fronten in Gaza etc.
Ich stelle mir vor, ich wäre mit meiner eigenen kleinen Welt beschäftigt und versuchte immer wieder neu, anständig durch den Tag zu kommen.

Die Reis-Säcke in China würden ohne mich umfallen, der Bus in Spanien unbemerkt ins Tobel stürzen, und ich stünde da und würde versuchen, mein Tagwerk zu bewältigen. Und wenn mir das dann gelänge, dann sässe ich später gemütlich unterm Baum und nippte an einem wohlig heissen Getränk. Und alles wäre in Ordnung. In meiner eigenen kleinen Welt. Sie hätte Grenzen, die mir Überschaubarkeit schenken würden, und ich würde mit der Zufriedenheit aufwachen und zu Bett gehen, diese kleine Welt gestalten zu können.

Stattdessen schreiben wir Virtualtäter gegen das Ungehörige an, das sich weiss Gott wo abspielt – oder zumindest so rapportiert wird. Gedanken über “die Welt”, “die Natur”, “die Politik” wälzen wir und diagnostizieren das marode System als, eben, marode.

Was aber ändern wir? Womöglich weniger als nichts, wenn uns daneben die Zeit abhanden kommt, die uns bleiben sollte, um in unserer kleinen Welt das zu leben, woran wir glauben. Wir sind bald überall zuhause im Mitduskitieren, und gleichzeitig nirgends mehr. Wir packen die kleinen Projekte nicht mehr an, weil sie doch, stehen sie nicht im grossen Kontext, nichts bewirken. Wir denken alles gross und sind doch gerade darin so beschränkt. Wir können das gar nicht. Wir sollten genau die kleinen Dinge richtig tun. Bewusst. Mit Zeit. Und Aufmerksamkeit.

Eine Minute Schweigen schafft mehr neue Gedanken als der mühsame Versuch, die stete Gedankenrotation im überforderten, übersättigten Gehirn zu rapportieren.

Weihnachten könnte gerade deshalb eine sehr gute Zeit sein. Wenn da nicht die Liste der Dinge wäre, die nur an Weihnachten so wahnsinnig dringend unbedingt DAVOR erledigt sein müssen.