Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Otto Stich ist kein Stachel mehr

∞  13 September 2012, 17:32

Otto Stich ist tot.

Der alt-Bundesrat war einer derjenigen Politker, denen das Volk seine Ehrlichkeit abnahm. Otto Stich konnte wohl gar nicht anders, als einfach einfach zu bleiben, wie es die NZZ heute ausdrückt [1].

Dabei erinnern wir uns: Otto Stich, das war jener Bundesrat, den die bürgerlichen Parteien der SP aus deren eigenem Hut zauberten um Lilian Uchtenhagen zu verhindern. Und so war Otto Stich der Bundesrat, den die eigenen Parteileute nicht wollten, um dann zu jenem Minister zu werden, den sich die Bürgerlichen alsbald zum Teufel wünschten. Denn Stich hätte auch Stachel heissen können, so unerbittlich unnachgiebig trat er als Finanzminister dafür ein, dass nicht mehr Geld ausgegeben wurde, als man auch einnahm. Das gelang damals zwar im Endeffekt überhaupt nicht, aber die Bürgerlichen ächzten ob diesem Störefried und Quengelgeist, während ihn die eigene Partei lieb bekam.

Bundesräte sind so sehr sachpolitisch verstrickt, dass man sie auch erste Staatsbeamte nennen könnte. Darum ist die Symbolhaftigkeit ihrer Figur nicht zu unterschätzen, und so sind seine mit Adolf Ogi, der zweiten knorrigen Eiche im Bundesrat ausgetragenen Sträusse in bleibender Erinnerung – so etwas wie die Fortsetzung der Tradition eines Willi Ritschard – einfach noch ein bisschen sachlicher, detailgewandter sicher auch, und, das ganz bestimmt, überhaupt nicht süchtig nach Bewunderung. Mehr Anerkennung aber hätte er sich bestimmt vorstellen können.

Nun ist er gestorben, und wir erkennen auch daran, dass sich die Zeiten aber so was von ändern.

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[1] Der Genosse von nebenan