Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Nicht brüllen. Zusammenleben üben.

∞  15 Januar 2011, 17:41

Wir haben friedliche Zeiten. Die Arbeitslosigkeit ist praktisch nirgends auf Rekordhöhe. Doch jede Zeit, jede Konstellation, hat ihre Ängste. Und vielleicht sind sie heute ja gar realer als in früheren Zeiten:
Der kalte Krieg, die Atomenergie. Die heutigen Bedrohungen liegen näher, sind aber nicht durchschaubarer geworden. Globale Finanzkrise, Überschuldung, Euro-Schwäche, aufstrebende Schwellenländer, die Währungsreserven Chinas, der Umgang mit Rohstoffen. Die wirtschaftliche Macht, lange als kapitalistischer Trumpf im weltweiten politischen Spiel begriffen, schlägt im Pendel nach und nach gegenteilig aus. Die Wagschale, auf der wir sitzen, wird leichter.

Welche Arbeit können wir selbst im globalen wirtschaftlichen Spiel besser leisten als andere? Und zu welchem Lohn? Vielleicht ist das ja eine Erklärung für das Angstpotential gegenüber dem Fremden, für die Eskalation gewisser Themen der politischen Agenda. Auch ich bin dafür, dass keine Sozialleistungen mit dem Füllhorn ausgeschüttet werden oder Asylrecht zu nachlässig vergeben wird. Ich bin auch sicher, dass es eine Tendenz gibt, bestehendes Recht zu wenig konsequent anzuwenden.

Nur: Kann ich es in letzter Konsequenz tatsächlich beurteilen? Soll damit Politik gemacht werden, wie es heute exerziert wird? Was geschieht eigentlich mit uns allen, indem wir uns laufend der populistischen Rhetorik gewisser Parteien ausgesetzt sehen? (Wobei es ja längst nicht mehr so ist, dass diese Töne nur aus einer Ecke kommen). Ich glaube, dass wir alle im Begriff sind, ein bisschen zu Schreihälsen zu werden. Unsere Ängste sind dabei viel diffuser, als das, was wir scheinbar als Problem orten. Wer sich ohnmächtig fühlt, argumentiert nicht mehr, er schreit. Und vielleicht sollten wir uns alle bemühen, eine neue Auslegeordnung zu machen. Auch argumentieren kann man nämlich erst dann, wenn man die Fakten kennt. Und genau die erfahren wir wohl immer weniger ungeschminkt, unselektiert, dem scheinbaren Info-Zeitalter zum Trotz.

Ich habe dazu einen Rat, ein Anliegen, oder einen Wunsch, der scheinbar auch nur diffus daher kommt, weil ich nicht sagen kann, nicht zu beziffern vermag, was es verändert. Es geht dabei eben um Herz und Seele: Wir sollten mehr miteinander leben. Uns wieder als Nachbarn verstehen. Als Arbeitskollegen. Als Bekannte. Freunde gar. Wir sollten uns interessieren, echte Meinungen erarbeiten, sie mitteilen, und bei allem auch zuhören. Es ist doch frappant: Überall dort, wo eine Gruppe als Team funktioniert, werden die Leistungen dieser Gemeinschaft besser – bei gehobenem Selbstwertgefühl aller Beteiligten.
Fällt Ihnen etwas auf? In diesem letzten Absatz ist ein Wort oder ein Synonym dieses Wortes nicht vorgekommen: Ausländer.
Es geht ja auch gar nicht um sie. Es geht immer einfach um Menschen. Um die Menschen, mit denen wir zusammenleben. Und um die Bereitschaft dieser Menschen, dies zu wollen. Auf allen Seiten.