Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Mensch ohne Identität

∞  1 August 2012, 18:52

In den diversen Diskussionen der letzten Tage und in den Gedanken, die mir dazu im Kopf nachhängen, breitet sich in mir eine gewisse Traurigkeit aus:

Wir haben gelernt, der Autorität des Staates, der Lehrer, der Kirche zu widersprechen, wir brandmarken die Auswüchse von Religionen, Diktaturen, Ideologien. In allem sehen wir die Gefahren der gefährdeten Selbstbestimmung. Wir erkämpfen uns eine Freiheit des Denkens, die noch nie so gross war wie heute.

Aber ich stelle die Frage: Was machen wir denn daraus?

Haben wir noch irgend eine Utopie, ein Ideal?

Kennen wir noch gemeinschaftliche Werte, für die wir Einschränkungen in Kauf nehmen?

Wie steht es denn mit der Durchsetzbarkeit von Vernunft, und wie lässt sich diese einsetzen, wenn der Mensch plötzlich tatsächlich gefordert ist, die Welt aus der Kraft seiner Logik zu gestalten?

Welcher Art Vorausschau sind wir denn fähig?

Wie verpflichten wir uns gegenseitig zu einem einvernehmlichen Handeln?

Die Überheblichkeit des Sieges des kapitalistischen Systems hat uns ganz bös ins Abseits getrieben. Die Jungen haben keine Rebellion und keine Ideale mehr. Sie wollen so schnell wie möglich einen guten Job und im Wettbewerb bestehen. Und je mehr wir der Leistungsbereitschaft alles unterordnen, um so mehr Menschen scheint es zu geben, deren Leistung gar nicht mehr gefragt ist. Denn aus dem Wettkampf hervor gehen mehr Verlierer denn Sieger.

Wir machen Gewinne, die Welt häuft Schulden an. Wir machen Mais zu Benzin. Wir beweisen uns auf Schritt und Tritt, dass wir zu keiner gemeinsamen Unternehmung mehr fähig sind. Denn mit dem Verlust der Religionen, der staatlichen Ideale und der politischen Systeme verlieren wir auch:

Identität.