Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Leid und Trost

∞  21 Juni 2008, 15:14



Wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilhaben.

2.Korinther 1,7


Ob gläubig oder nicht – wir nehmen persönliche Schicksale schon mal zum Anlass, den vermeintlichen Gott anzuklagen und die Ungerechtigkeit des Geschehens, eines persönlichen Schicksals als Beweis zu nehmen, dass es ihn nicht gibt (wie könnte ein Gott das zulassen?).

Nicht nur Mönche sehen Ihr Geschick, Leben und Sterben, Leiden und Freuen als stellvertretenden Dienst an den Menschen.

Es gibt den tröstlichen Gedanken des Teilens für uns Alle:
Kein Leid dieser Welt ist von einer Art, dass es von niemandem bisher geteilt worden wäre. Es kann unvorstellbar schwer sein, aber es gibt keinen Vergleich, der beweisen könnte, dass es noch nie da war und da, wo es war und sein wird, mehr oder weniger “verdient” wäre. Jene, die in diesem Leid betroffen sind, spüren vielleicht sehr viel deutlicher als Angehörige, dass dieses Leiden nicht nur mit ihnen zu tun hat, von ihnen aber ganz persönlich bewältigt werden muss. Das Fragen: Warum ich? kann absurd werden, vielleicht gerade dann, wenn man spürt, dass es gerade jetzt um “mich” geht, mehr als je zuvor.

Nicht der erste zu sein, der lebt, leidet, sich freut, geboren ist und sterben wird, kann auch eine Verheissung, ein Trost sein. Unser Leben, so wie wir es gemeinhin verstehen, ist auf Vergänglichkeit angelegt, und genau so, wie wir nicht wissen, woher wir kommen, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, wohin wir gehen. Was unser Dasein schlussendlich bestimmt oder bestimmen soll – wir können es nur immer wieder fragen und dieses Fragen mit anderen teilen – und uns die verschiedenen Antworten anhören.
Im gemeinsamen Erleben, im Teilen, im Wissen um unsere eigenen neuen Fussstapfen auf ausgetretenen aber nie brüchigen Pfaden liegt auch eine Kraft. Wer mag unseren Sinn für Gemeinschaft bestimmen? Wie kommt es dazu, dass wir nicht (mehr) daran glauben?

Und dieser Trost? Er kündigt sich hartnäckiger an als alles Klagen der Leidgeprüften, und das Leben, das gelebt werden will, weist immer wieder darauf hin, bietet den Trost an – denn kein Mensch ist so einsam, dass ihn nicht eine Begegnung überraschen könnte. Und ist der Mensch einsam, so ist er doch nicht allein inmitten aller Formen, die das Leben annehmen kann. Und aller Sprachen, in denen es zu uns zu reden vermag.

Wenn Sie jetzt denken, dass es viel zu viele Menschen gibt, die nicht auf eine überraschende Begegnung hoffen können und diesen Gedanken gleich wieder verscheuchen möchten – tun sie es nicht. Sie müssen deswegen nicht gleich auf einen vermutlich einsamen Menschen zugehen. Es reicht, wenn Sie für sich entscheiden, dass Sie soviel Trost verdienen, dass Sie selbst diese Einsamkeit nicht erleben müssen – und sie werden das Bewusstsein als Mitwanderer auf bekannten gemeinsamen Pfaden mit sich und damit weiter tragen.

Nicht nur ein unsichtbarer Gott wird ihnen zulächeln. Sondern Menschen, die ihr Gesicht öffnen.


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[Bildquelle: Doreen Paltawitz ]


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