Mein Schreiben. Täglich.

Teilen Sie mit mir unbeschwerte und schwere Gedanken in Prosa oder Lyrik und versuchen Sie, Grau in Blau zu verwandeln - unter welchem Himmel auch immer.

Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Kaffee trinken ist unproduktiv

∞  25 Februar 2014, 23:15

Unterhaltung über Firmenkultur – und Führungsinstrumente – wobei ich mich gleich korrigieren muss: Es muss durchaus nicht im Bewusstsein des Patrons angekommen sein, dass es so was überhaupt gibt.

Notlage im Betrieb auf Grund personeller Engpässe auf hoher Führungsebene: Es gäbe Koordinationsbedarf, Notwendigkeit zum Austausch, um mögliche Lücken auszumachen und sie zu schliessen. Meeting? Womöglich gar Kaffee trinken dabei? Wie unproduktiv! Da wird ja gar nicht gearbeitet, sondern nur geredet.

Ich fühle mich manchmal im falschen Film, wenn ich diese Geschichten aus fernen zentralen Führungsbunkern höre. Und umgekehrt erinnere ich mich dann schnell auch mal an Erzählungen von Kollegen, die sich in Abteilungssitzungen aufreiben. Noch immer gibt es viel zu viele Präsenzzeiten in Meetings, in denen es für vielleicht zehn von sechzig Minuten wirklich um die eigenen Belange geht. Das ist dann wirklich unproduktive Zeit – aber wer könnte das endgültig bestimmen, zumal niemand erfassen kann, was, bei solcher Gelegenheit aufgteschnappt, an anderer Stelle dann kein Rückfragen nötig macht und den Sinn für die grösseren Zusammenhänge schärft.

Aber natürlich sind hier Routinen angesprochen, die dazu führen, dass man sich, verdonnert zum Ausharren, längst ausklinkt, obwohl man noch auf dem Stuhl sitzt. Dieses umgekehrte Extrem aber, das ich einleitend antönte, das gibt es auch – und es fördert genau so eine Unkultur wie der Hang zu Sitzungsmarathons: Ketzerisch kann man fragen, ab welcher Grösse eines Unternehmens oder auch nur einer Abteilung die Herausforderung einer guten Kommunikation beginnt? Dieses Wort ist wohl sowieso auf allen Ebenen, zwischenmenschlich, in der Social Media, in Unternehmen oder auch Vereinen das meist gebräuchliche und meist falsch verstandene Wort überhaupt: Wir kommunizieren je länger je schlechter miteinander. Wir können ernsthaft annehmen, es liesse sich online in einer Gruppe genau so gut zusammenarbeiten, wie wenn man sich – wenigstens gelegentlich – in einem Raum wirklich treffen würde, oder wir schaffen den festen Arbeitsplatz ab, später richten wir ihn dann vielleicht wieder ein. Wir optimieren Zeit und lassen sie doch ungenutzt. Wir kappen sie dort, wo sie Ideen gebären könnte, und drücken mehr in sie hinein, wenn eh schon die Automatismen jede Sinneswahrnehmung zu kappen drohen.
Wir stumpfen ab und bluten aus.

Social Media? Ein gutes Gespräch wird bald zu einer Sensation werden. Eben habe ich von einer Geburtstagseinladung gehört, bei der ein rühriger, umtriebiger Mensch mit besten Kontakten zu seiner Party einlud. Ein wenig kurzfristig zwar, aber für einen Kreis, der umgekehrt schon sehr oft von Events profitierte, welche die gleiche Person organisierte. Bestens vernetzt also, bestens bekannt. Und dann geht es um nichts anderes als um eine Geburtstagseinladung. Gemeinsam essen und reden und zusammen sein. Gemütlich. Unspektakulär vielleicht. Und am Ende sitzt da ein versprengtes Häufchen. Der Gastgeber kann sich die Absagen zusammenkleben zu einem bunten grauen Strauss. Das noch Originellste: Ich mag nicht kommen. Es ist so schönes Wetter.

Da wünscht man sich noch nicht mal die darin zum Ausdruck kommende Ehrlichkeit wirklich auf den Tisch… Aber womöglich ist das ja einer der Menschen, die im Unternehmen gelernt haben: Kaffee trinken, womöglich zusammen mit anderen, ist unproduktive Zeit.