Mein Schreiben. Täglich.

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Mir fällt das oft selbst schwer genug...


Eintrachtsgefühle

∞  25 Februar 2010, 19:21

Keine Ahnung, woran das liegt – vielleicht an meiner besonders dynamischen Freizeitgestaltung – aber ich habe immer wieder besondere Begegnungen mit alten Menschen. Und wieder war es heute unter anderen ein altes Paar, das mich bezaubert hat.

Es gibt über unserem Dorf einen Höhenzug, auf dem man kurz hinter dem Schulhaus schnell in den Wald eintaucht und danch geradeaus sehr bequem spazieren, ja geradezu flanieren kann. Es gibt an dessen Rand auch mehrere nette Ruhebänke, auf denen man verweilen und sich von der noch zarten Frühjahrsonne gernde den Bauch wärmen lässt. An einem Ort, im Sommer samt Feuerstelle, stehen solche Bänke zusammen, und so finden sich Menschen schon mal gemeinsam in der Ruhe wieder, wildfremd, und irgendwie doch vertraut.

Die Frau, welche mit mir die konzentrierte Stille zweier Bücherleser teilte, die uns unter leise tuschelnden Zweigen zusammen rücken liess, ohne dass wir uns auch nur ein bisschen bewegt hätten – es sei denn, es galt, eine Seite umzuschlagen – diese Frau war aufgestanden, hatte ihr Buch zusammengeklappt und war mit einem angedeuteten Nicken stumm gegangen, wobei ein bisschen Laub um ihre Füsse raschelte, als wollte es das letzte Geräusch mit ihr von mir weg tragen.

Meine Konzentration war weg, und so sah ich die alten Leutchen schon von Weitem kommen. Sein Mantel war ein bisschen verrutscht, die breite Knopfleiste hing schief in den Knopflöchern, und ein dicker Schal quoll aus seinem knochigen Hals. Die Augen des Mannes blickten blau und kristallklar in meine Richtung, als er sich auf den Platz setzte, der eben noch meiner Mitleserin gehört hatte, und seine Frau wischte daneben ihren eigenen Platz noch immer frei, obwohl da schon längst kein Blatt und nichts anderes mehr lag. Es war heute ein richtiger erster Ausflugsbanktrockensitzertag, ohne wassergetränktem schwieligem Holz.
Dann sass sie da, und es senkte sich eine neue Ruhe über den Platz. Ich las nicht mehr. Ich sah die beiden an. Sie sahen mich an. Wir erwiderten uns unser gegenseitiges Lächeln. Zu sagen war da nichts. Auch, weil das Schweigen in keiner Weise peinlich war.
Wir waren ja alle da, um nicht reden zu müssen. Auf jeden Fall nicht mit fremden Leuten.
Also hörte ich einfach den Zweigen zu und meinem inneren Frieden an diesem frühen Nachmittag. Dann sah ich, wie diese alte Frau gefühlte fünfzig Jahre Gemeinsamkeit in ihrer Handfläche barg, als sie ihrem Mann über die Wange strich. Er neigte ihr seinen Kopf zu, und es lag eine Verbundenheit zwischen ihnen, die sie barg und in ihrer ganzen Altersgebrechlichkeit unverletzbar erscheinen liess, offen, ohne jede Furcht.
“Jetzt ist es dann bald wieder acht Uhr”, sagte er. Sie nickte ihm zu, ganz ernsthaft, ohne jedes Bedürfnis zur Korrektur, und lächelte ihm zu. Sie sah ihm in die Augen, und darin konnte auch ich ganz einfach von einer klaren Liebe lesen.
Ich packte meine Sachen bedächtig zusammen, erhob mich, und nickte den beiden wortlos, aber ganz verbindlich und deutlich zu. Wieder dieses Lächeln, von beiden, und dann folgte ich meinem Bedürfnis, nach Hause zu gehen. Nicht eilig, aber auf direktem Weg.

Zu Hause erzählte ich meiner Liebsten ganz begeistert von dieser Begegnung. Würden wir dereinst auch mal so auf Bänken sitzen?
Ein kleiner Knuff, ein Lächeln in meinem Rücken, und eine Prise Schalk in der Stimme:
“Aber sicher, mein Liebster. Um acht kommt doch jeweils diese Sportsendung, oder?”


zum Thema: Noch so zwei




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